Verstörende Argumentationslücken

Am 4. Mai 2023, knapp hat das Regierungspräsidium nach Funden von giftigem PAK zwischen Bauwerk 8 und 9 in der Wasserschutzzone II durch Anwohner einen Baustopp verhängt - ein Jahr nach dem ersten Baustopp aufgrund von Giftfunden durch Anwohner.  Das ist erfreulich. Denn Gift darf in der Wasserschutzzone II  nicht eingebracht werden.

 

Die damit einhergehenden Aussagen des Regierungspräsidiums sind allerdings verstörend - sie weisen erhebliche Mängel in der Argumentation auf.  

1) Herkunft unbekannt?

 

Es ist sehr irritierend, dass das Regierungspräsidium schreibt, es müsse die Herkunft des Giftes in der Dammaufschüttung bei Niederklein erst noch klären. Denn aus den Fuhrscheinlisten geht hervor, dass über 11.000 Kubikmeter Erde aus der mit Hexyl verseuchten Baugrube an der Artilleriestraße (Bauwerk 3) in genau diesen Trassenbereich verlagert wurden, in dem das Gift gefunden wurde. Dem Regierungspräsidium liegen diese Listen seit Monaten vor. (Bild: Tabelle auf Basis der Fuhrscheinlisten)

 

Muss man aus der Antwort schließen, dass das Regierungspräsidium die Fuhrscheinlisten nicht als Grundlage des Beprobungkonzeptes studiert hat, das nach nach dem Hexylfund im letzten Mai für die kontaminierte Baugrube und die von dort verlagerte Erde erstellt wurde? 

2) Keine Anhaltspunkte für Überreste aus der Umgebung des Sanierungsareals ?

 

Der Behördensprecher antwortet der Oberhessischen Presse auf die Nachfrage, ob die Brocken nicht von der Füllgruppe II oder aus deren direkter Umgebung stammen: „Da das Sanierungsprojekt Füllgruppe II erfolgreich abgeschlossen wurde, bestehen derzeit keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich um Überreste aus dem betroffenen Sanierungsareal handelt.“

 

Aber: Im April 2022 wurde die Artilleriestraße aufgerissen (schwarze Quer-Linien) , die sich in direkter Nachbarschaft der Sanierungsbereiche der gesprengten Hexapackhäuser 3084 und 3085 befindet. Von hier wurden Anfang Mai 2022 über 11.000 Kubikmeter Erde in den Bereich des späteren PAK-Fundes zwischen Bauwerk 8 und Bauwerk 9 verlagert wurden.

 

Das Regierungspräsidium wurde bereits Mitte März darüber informiert, dass diese Erde im Rahmen des Teilbaustopps nach dem Hexylfund hätte beprobt werden müssen. Das Regierungspräsidium antwortete Mitte April, dass es keine Notwendigkeit einer Nachbeprobung erkennen könne.

 

Quelle: Preuss, Eitelberg et al. 1991, Erkundung und Rekonstruktion des Sprengstoffwerkes der Westfälisch Anhaltischen Sprengstoff AG, erstellt für das RP Gießen in Vertretung für Umweltministerium Land Hessen.

 

3) "Erfolgreiche" Sanierung a) nur in einem kleinen Teil der Trasse im WASAG-Gelände 

Auch der Verweis auf die erfolgreiche Sanierung ist irritierend.

 

Denn saniert wurde - trotz der nicht unvollständigen Kenntnisse über die Gebäudelagen und trotz der umfangreichen, unkontrollierten Sprengungen nach dem Krieg - nur ein kleiner Teil des Trassenbereiches im WASAG-Geländes.

 

Ausgenommen waren (abgesehen von einem Feuerlöschteich) der Teil nördlich der pinkfarbenen Hexapackhäuser 3084 und 3085 (bis zu den bekannten Gebäuden der Füllgruppe II) und der über 500 Meter lange Bereich südlich der Artilleriestraße. (Links: aus dem Lageplan Herrenwald des Baugrundinstitut Dipl. Ing D. Fedder, darüber die Trasse aus den Plänen des Planfeststellungsbeschlusses - in grau die Fahrbahn, die um mehrere Meter tiefer gelegt wird, in braun die vorgesehenen Böschungen. Die Artilleriestraße verläuft in der Bildmitte leicht diagonal quer zur Trasse).

 

3) "Erfolgreiche" Sanierung b) mit Restkontamination

 

Auch der Verweis auf die erfolgreiche Sanierung ist irritierend. Denn ist nicht frei von Belastungen. Dort sind Restkontaminationen dokumentiert, die niemals hätten verlagert werden dürfen, weil sie die Grenzwerte für die Verlagerung von Sprengstoffen in die Wasserschutzzone (0,02 mg/kg) um das über 1000fache überschreiten ...

 

 

3) "Erfolgreiche" Sanierung c) mit Fremdbestandteilen  

Die Gebäude 3084 und 3085 wurden nach dem Krieg gesprengt. Wichtige Bestandteile der Gebäude wie z. B. kontaminierte Altkanäle wurden nicht gefunden. Dafür aber hohe PAK-Konzentrationen von über 1000 mg/kg. Von Anwohner:innen wurden diese in sog. "Fremdbestandteilen" nachgewiesen: in schwarzen teerhaltigen Brocken.

Die Bau-ARGE führt in ihrem Bodenmanagementkonzept ausführt, dass noch „abfalltechnisch relevante Schadstoffbelastungen in den Bereichen des WASAG-Geländes verblieben, ebenso wie Auffüllungen mit Fremdbestandteilen."  

Damit ist klar: Der erfolgreiche Abschluss der Sanierung der Füllgruppe II bedeutet nicht, dass vor Ort keine Kontaminationen vorhanden sind.