Offener Brandbrief - Klimakrise, Verkehrswende und A49                                                                              4.6.2022

 

 

Der neue IPCC-Bericht ist ein „Dokument der Schande,

ein Katalog der leeren Versprechungen, die die Weichen

klar in Richtung einer unbewohnbaren Erde stellen.“

                               UN-Generalsekretär A. Guterres am 4.4.2022

An die

Abgeordneten des Deutschen Bundestages

Abgeordneten der Landesparlamente

Politisch Verantwortlichen in Regierungen und Parteien

 

 

Es ist „5 nach 12“! Die Erde brennt. Das Klima kollabiert.

Tatort A49: Natur – und Klimazerstörung stoppen!

Soziale und klimagerechte Mobilitätswende JETZT.

 

 

Sehr geehrte politisch Verantwortliche im Deutschen Bundestag,

in den Landesparlamenten, in Regierungen und Parteien,

 

die zunehmenden, dramatischen Weckrufe von Wissenschaftler:innen zum Ausmaß der sich verschärfenden Klimakrise wie auch ihre konkreten Auswirkungen weltweit zeigen, dass schnelles und wirkungsvolles Handeln das Gebot der Stunde ist.[1] Dabei hat eine Verkehrswende für den Natur- und Klimaschutz eine herausragende Bedeutung.

 

Wir alle wissen, die Klimakatastrophe beschleunigt sich rasant: Weltweit verheerende Brände, Gletscher und Pole schmelzen, Meerwasser versauert, der Meeresspiegel steigt, Böden vertrocknen, Wälder sterben, die Ernteerträge sinken und weitere verheerende Wetterereignisse werden auch bei uns hinzukommen. Die Klima- und Umweltzerstörung so wie das Artensterben stellen das Überleben der Menschheit insgesamt in Frage. Schon heute fordert die Klimakrise unzählige Menschenleben, treibt Millionen von Menschen zur Flucht, die Zahl der Hungernden nimmt zu und die wirtschaftlichen Schäden sind immens.

 

Es gilt keinen Tag mehr zu verlieren, um das Klima zu stabilisieren!

Aktuelle wissenschaftliche Studien zeigen auf: Der weltweite CO2-Ausstoß ist bereits bis zum Jahr 2030 auf NULL zu reduzieren, um bis 2100 unter 2 Grad Erderwärmung zu bleiben. Machen wir so weiter wie bisher, droht bis Ende des Jahrhunderts eine Temperaturerhöhung von 3,3 Grad, drohen irrreversible Klima-Kipppunkte, die die Erde für Menschen unbewohnbar machen.[2]

 

Klimaschutz und Verkehr

Das bedeutet konkret: Es ist jetzt alles zu tun, was getan werden kann. Es dürfen keine Baumbestände mehr dem Straßenbau weichen, die Versiegelung von Böden muss aufhören! Denn der Verkehrssektor ist einer der "größten Problembereiche des Klimaschutzes in Deutschland". Er ist der einzige Bereich, in dem die Treibhausgas-Emissionen in den vergangenen Jahren gestiegen sind. Und in den kommenden Jahren weiter steigen werden, wenn nicht massiv gegengesteuert wird. Der Straßenbau verursacht durch Energie- und Materialeinsatz einen gigantischen CO2-Mehrausstoß. Die Bodenversiegelung (CO2-Senke) vermindert die CO2-Aufnahme aus der Luft, die zur Stabilisierung des Klimas dringend erforderlich ist.

Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie kommt in seiner Grundlagenstudie im Okt. 2020 zu dem Schluss, dass der Straßenverkehr in Deutschland erheblich verringert werden muss. Jedweder weitere Straßenbau in Zeiten der Klimakrise und des Artensterbens ist daher schlicht unverantwortlich.

Der gesamte Bundesverkehrswegeplan - das stellen mindestens drei Rechtsgutachten unabhängig voneinander fest[3] - entspricht nicht den Standards der Nachhaltigkeitsforderung für die Rechte künftiger Generationen, wie vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts im April letzten Jahres festgeschrieben. Er ist daher mit seinem gigantischen Straßenausbauprogramm, der 22.000 Hektar ökologisch wertvolle Fläche vernichten würde, verfassungswidrig. Der Bundesverkehrwegeplan muss klimakonform verändert und es muss eine Mobilitätswende eingeleitet werden. Frei werdende finanzielle Mittel sind für eine klimagerechte Ausrichtung der Politik zu verwenden. Fangen Sie bei der A49 an, die zum Mahnmal einer klimaschädlichen Verkehrspolitik wurde.

 

Baustopp zur Einleitung der Verkehrswende JETZT

Der Weiterbau der A49 ist aus mehreren Gründen eine umweltpolitische Katastrophe:

Der Autobahnabschnitt Schwalmstadt – Ohmtal-Dreieck, Baubeginn Herbst 2020, ist durch

  • die Rodung von 89 Hektar Mischwald eines gesunden Ökosystems,
  • Eingriffe in FFH-Schutzgebiete,
  • Eingriffe in ein gefährliches militärisches Altlastengelände im Herrenwald bei Stadtallendorf,
  • die Gefährdung eines Trinkwasserschutzgebiets für 500.000 Menschen

ein gravierender Fall von Umweltschädigung.

 

Am 12. Mai 2022 mussten die Bauarbeiten im Bereich des Herrenwaldes eingestellt werden, weil dort hochgiftiges Hexyl aus der Rüstungsproduktion im zweiten Weltkrieg gefunden wurde. Damit bestätigen sich seit langem geäußerte Vorwürfe, die Gefährdungsabschätzung sei nicht hinreichend gewesen. Auch die aktuellen Funde wurden nicht von den zuständigen Behörden oder der Bauleitung der A49 entdeckt, sondern durch aufmerksame Bürgerinnen und Bürger. Allein auf Basis von unvollständigen Dokumenten wurde entschieden, ca. die Hälfte des Trassenverlaufs in einem der größten und gefährlichsten Altlastengebiete Europas nicht zu sanieren. Zeichnet sich hier ein neuer Grundwasserskandal ab? Wir fordern die Rücknahme der Wasserschutzrechtlichen Genehmigung und  den sofortigen Baustopp auf der gesamten Trasse. 

 

Im Zuge ihres engagierten Einsatzes für den Erhalt des Waldes wurden Klimaschützer:innen pauschal und auch persönlich kriminalisiert. Besonders schwerwiegend ist der Fall einer Aktivistin (UWP1 / Ella), die in einem noch laufenden Verfahren zunächst zu zwei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt wurde und nicht zuletzt wegen Falschaussagen von Polizist:innen 17 Monate in Untersuchungshaft saß.

 

Es sind rechtlich höchst problematische Verfahren, die zum Protest der Klimaschützer:innen geführt haben: Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie wurde nicht im erforderlichen Umfang berücksichtigt. Umweltschonendere alternative Straßenführungen - 10 km Bundesstraße statt 30 km Autobahn - durften nicht berücksichtigt werden (siehe Artikel 27 des Dritten Rechtsbereinigungsgesetzes vom 30.6.1990). Das Unterlaufen des Artikels 20aGG durch den Bundesverkehrswegeplan im Bereich Fernstraßenbau wurde nicht erkannt.

 

Zur Bauausführung sind im „Danni-Unrechtskalender“ viele Tricksereien, Falschaussagen und Rechtsbrüche dokumentiert. Die teilweise Privatisierung des Baus und Betriebs von Bundesfernstraßen im Zuge der  „Öffentlichen-Privaten Partnerschaft“ (ÖPP) geht offenkundig mit einem Verlust an demokratischer Kontrolle einher. Die Schwärzung von zentralen Daten im veröffentlichten Vertrag ist ein Beleg hierfür.

Die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES) als Vorhabenträgerin der A49 versagt bei ihrer Kontrollfunktion gegenüber der privaten Autobahngesellschaft A49. Sie kommt bei Anfragen nach dem Umweltinformations- und Informationsfreiheitsgesetz den gesetzlichen Vorgaben in erheblichem Umfang nicht nach.

 

Die A49 steht in der HEUTE alles entscheidenden Phase der Menschheitsgeschichte im Widerspruch zu einem überlebensnotwendigen Klimaschutz und symbolträchtig für ein überkommenes „Weiter so“!

 

Es ist bereits „5 nach 12“ – Jetzt verantwortungsbewusst handeln!

Angesichts der sich dramatisch zuspitzenden Klimakatastrophe entscheiden Politiker:innen über die Lebensbedingungen nicht nur unserer Gesellschaft, sondern die der ganzen Menschheit. Der neu gewählte Bundestag und die Landesparlamente sind gefordert, verantwortungsbewusste Entscheidungen von geradezu existenzieller Bedeutung zu treffen. Es ist höchste Zeit, das verbindlich vorgeschriebene Pariser 1,5 Grad Ziel aus dem Jahr 2015(!) endlich konsequent umzusetzen. Hierbei hat das Verkehrsministerium eine besondere Verantwortung. Das neue „Klimasofortprogramm“ muss eine echte Klimawende im Verkehr bringen. Und alle politischen Entscheidungsträger:innen sind gefordert, schnell zu handeln.

Notwendige Handlungsschwerpunkte sind:

·         mit einem Tempolimit den CO²-Ausstoß sofort um 10 bis 15% zu reduzieren,

·         den verfassungswidrigen Bundesverkehrswegeplan klimakonform zu prüfen,

·         den Weiterbau der A49 und jedweden klimazerstörerischen Straßenbau zu stoppen,

·         die fossilen Verbrennungsmotoren schnellstmöglich abzuschaffen,

·         den Straßenverkehr drastisch zu senken und den ÖPNV großzügig auszubauen,

·         den Material- und Ressourceneinsatz in der Autoproduktion zu minimieren.

Wir fordern eine klimagerechte Mobilitätswende, die sich an den Lebensgrundlagen der Menschheit und an ihren sozialen Bedürfnissen orientiert.

 

Sie tragen eine politische Verantwortung für die Zukunft der Menschen in diesem Land und weltweit. Besonders die jüngere Generation wird Ihr politisches Handeln daran messen, ob es mit dem Klimaschutz vereinbar war und ist. Noch ist es nicht zu spät: Die Trasse der A49 ist noch nicht versiegelt. Die Fläche steht noch als CO2-Senke zur Verfügung. Eine Renaturierung ist noch möglich. Die Mittel für den Bau können für umweltschonendere Verkehrslösungen umgenutzt werden. Setzen Sie ein Zeichen: Stoppen Sie den Weiterbau der A49, stoppen Sie den Bundesverkehrswegeplan in seiner derzeitigen Klimaschädlichkeit.

 

Ein ökologisches Desaster wie beim Weiterbau der A49 darf sich nicht wiederholen. Dass dieser Ökozid im geltenden Strafrecht nicht als Verbrechen geahndet werden kann, weist auf eine defizitäre Rechtslage hin. Um Klimaaktivist:innen mit hohen Geldstrafen belegen zu können, soll ausgerechnet das Waldgesetz (§16) die Vernichtung des Waldes rechtfertigen. Wir unterstützen besonders die jungen Menschen in ihrem Streben nach dem Recht auf Erhalt ihrer Lebensgrundlagen. Auch hierzu fehlen schon seit langem die nötigen Ökozid-Gesetze.[11] Zudem sind umgehend Rechtsgrundlagen für einen „Klimanotstand“ zu schaffen, wonach alle Entscheidungen im Bund, in den Ländern und Kommunen klimakonform zu treffen sind.

 

Wir fordern alle politisch Verantwortlichen auf: Ziehen Sie die Klima-Notbremse!

Handeln Sie verfassungsgemäß für das Wohl unserer Gesellschaft und der Menschheit!

Stoppen Sie alle Straßenneu- und -ausbauprojekte! Beginnen Sie mit der A49!

 

 

Vom bundesweiten Netzwerk "Danni lebt".

 

* BUND Vogelbergkreis | Schutzgemeinschaft Gleental e.V. | Aktionsgemeinschaft „Rettet den Burgwald“ e.V. | Schutzgemeinschaft Deutscher Wald KV Vogelsberg | Aktionsgemeinschaft „Schutz des Ohmtals“ e.V. | Vogel- u. Naturschutzgruppe 1959 Maulbach e.V. | Parents for Future OG Reutlingen | Dr. Marc Strickert, Scientists for Future Gießen | Gäst_innenhaus und Danni Mahnwache | AG Danni lebt der Parents for Future Deutschland | Dr. Hans Christoph Stoodt, Pfarrer i.R. | Solidaritätsgruppe: A49 und Klimazerstörung stoppen – Verkehrswende JETZT! | Bündnis Wald statt Asphalt | Naturfreunde Marburg | Aktionsbündnis Keine A49 | Lebenslaute Hessen |

 

Hintergrundinformationen:

Bündnis Wald statt Asphalt: https://wald-statt-asphalt.net/ | Aktionsgemeinschaft „Schutz des Ohmtals“: https://a-49.de/ | Aktionsbündnis „Keine A49“: https://www.stopp-a49-verkehrswende-jetzt.de/ | Petition Stopp A49: https://stoppa49.org/ | AG Danni lebt der Parents for Future: https://www.danni-lebt.de/

 

Diesen „Offenen Brandbrief“ verbreiten und unterstützen: www.danni-lebt.de | a49stoppen@gmx.de