An die

Abgeordneten des Deutschen Bundestages

Kandida4nnen und Kandidaten zur Bundestagswahl

Vertreterinnen und Vertreter von Parteien

 

Am 31.12.2024 hat UNO-Generalsekretär António Guterres, in einem drama4schen Appell, die Staaten der Welt zum

Jahreswechsel zu mehr Ehrgeiz im Kampf gegen die Klimakrise aufgerufen. Die vergangenen zehn Jahre seien die

heißesten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gewesen – und damit ein »Jahrzehnt der tödlichen Hitze«. Die Welt

erlebe den Klimakollaps in Echtzeit. »Wir müssen diesen Weg ins Verderben verlassen – und wir haben keine Zeit zu

verlieren.« 1

Ja, es ist ein Gebot der Vernunft, sofort alle Register zu ziehen, um unsere Lebensgrundlagen zu erhalten! Danach

muss sich jedes poli4sche Handeln konsequent richten, auch in der Verkehrspolitik!

 

Expertenrat für Klimafragen

Der Verkehrsbereich hat in Deutschland auch 2023 deutlich mehr Abgase verursacht als gesetzlich erlaubt. Das hat

der unabhängige Expertenrat für Klimafragen der Bundesregierung im Prüfericht zu Daten des Umweltbundesamts

festgestellt. Statt den erlaubten 133 Millionen Tonnen Treibhausgase stieß der Verkehrssektor im Bezugsjahr 146

Millionen Tonnen aus. Damit verfehlt der Sektor sein Klimaziel das dritte Jahr in Folge. 2

 

Folgen der Flächenversieglung

Grundsätzlich verschärft jeder weitere Straßenbau die Klima- und Artenkrise in mehrfacher Weise. Jede

Flächenversieglung bedeutet den Verlust von Wald und Boden als CO2-Senke und Lebensraum. Zugleich erzeugt der

Bau von Straßen durch den Material- und Energieverbrauch (Beton(!), Maschinen) gigantische Mengen an CO2

Emissionen.

 

Straßenausbaupläne – Tatorte

Die gül4gen Aus- und Neubaupläne umfassen bis 2030 über 1.000 Fernstraßenprojekte mit allein 850 km

Autobahnneubau. Diese im Parlament getroffenen Entscheidungen werden mit ihrer Umsetzung zu Tatenorten der

Natur- und Klimazerstörung. Abgeordnete die diese Gesetze nicht ändern, leisten der Zerstörung unserer

Lebensgrundlagen Vorschub. Sie tragen somit eine große Verantwortung für Entscheidungen, bei denen es auch beim

Thema Verkehr letztlich um das Überleben der Menschheit geht.

 

Bedarfsplanüberprüfung zum Bundesverkehrswegeplan – Konsequenzen

Im Dezember 2024 wurde – mit drei Jahren Verspätung(!) – vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV)

der „Bericht zur Überprüfung der Bedarfspläne (BPÜ) für die Verkehrsträger Schiene, Straße und Wasserstraße“ zum

Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP) dem Bundestag / Verkehrsausschuss vorgelegt.3 Das BMDV stellt darin im

Ergebnis fest, dass es keinen wesentlichen Änderungsbedarf bezüglich der alten Bedarfsplanung zum Straßenbau aus

dem Jahr 2016 gibt. An den klima- und naturzerstörerischen Straßen-Ausbauplänen wird also festgehalten. Daraus

folgt, dass wider aller Vernunft weder wissenschaftliche Befunde noch die reale Zuspitzung der Klima- und Artenkrise

zu einem Umdenken in der Straßenbau-poli4k geführt hat.

Dabei sind schon allein die als vordringlich eingestuften rund 1.000 Straßenneu- und -ausbauprojekte nicht mit den

interna4onalen und na4onalen Natur- und Klimaschutzzielen vereinbar, also rechtswidrig. Die Straßenbauprojekte

umzusetzen, wäre angesichts der menschheitsbedrohenden Klimakrise ein ökologisches Verbrechen.

Der Bund Umwelt und Naturschutz (BUND) hat den „Bericht zur BPÜ“ vom BMDV in einer ausführlichen „Einordnung

der Bedarfsplanüberprüfung zum BVWP 2030“ vom 20.1.2025 einer fundierten Kri4k unterzogen, auf die wir hier

ausdrücklich hinweisen.4 Im Kern wird darin argumen4ert, dass die Bundesverkehrswegeplanung anstelle von

Verkehrsprognosen an Zielvorgaben des Natur- und Klimaschutzes ausgerichtet werden muss. Gefordert wird die

Rücküberweisung der Bedarfsplanüberprüfung an das BMDV und ein Beschluss im Deutschen Bundestag für eine neue

Bundesmobilitätsplanung. Der neu gewählte Bundestag muss Verantwortung übernehmen und die Verkehrspoli4k

endlich auf einen klima- und naturverträglichen Kurs bringen. Unabhängig davon ist die Sanierung von Straßen,

Brücken und Schienen als vordringliche Infrastrukturmaßnahme voranzubringen. 5

 

Petition zur Verkehrswende

Auch die Bundestagspe44on 173482 zur BPÜ fordert, „dass die Bundesverkehrswegeplanung umgehend an die

interna5onalen und na5onalen Naturschutz- und Klimaziele angepasst wird.“ 6 Sie ist mit 22.628 Unterschriften die

viertgrößte(!) Pe44on im Jahr 2024. Diese Pe44on sollte vom Bundestag als richtungsweisend für eine „Soziale und

klimagerechte Verkehrswende“ angenommen werden.

 

Wirtschaftswachstum – gesellschaftliche Transformation – Klimanotstand

Immer wieder wird auch bei der Verkehrspolitik mit dem Wirtschaftswachstum argumen4ert. Der aktuelle Ruf nach

einer „Wachstumsini4a4ve“ wird mit der Forderung verbunden, den Klimaschutz zurückzudrängen und die soziale

Lage der Menschen zu verschlechtern.7 Damit werden einmal mehr die zerstörerischen Triebkräfte unserer

Wirtschaftsweise offenbar. Wer angesichts der Klima- und Artenkrise weiter eine Poli4k des profitgetriebenen

Wirtschaftswachstums betreibt, hat den Ernst der Lage nicht begriffen oder nimmt die Zerstörung der Erde – „unser

Juwel im Kosmos“ – billigend in Kauf. Nö4g ist eine gesellschaftliche Transforma4on, in der die wirtschaftliche

Entwicklung in allen Bereichen an der Begrenztheit von Ressourcen und den ökologischen Bedingungen der Erde

ausgerichtet wird.

Der faktisch bereits eingetretene „Klimanotstand“ erfordert, über den Verkehrssektor hinausgehend, auch in allen

anderen Sektoren eine konsequente Poli4k, die sich vom Verfassungsziel auf „Schutz der Umwelt“ leiten lässt. Dazu

gehört, um nur einige Punkte zu nennen: den Flugverkehr in wenigen Jahren auf 50, 30, 20 % reduzieren (bis CO2-

neutrale Flüge möglich sind); alle Produk4onsbereiche energie- und ressourcen-schonend ausrichten (keine SUV-

Panzer bauen; Betonverbrauch reduzieren); eine ökologische Landwirtschaft mit kürzeren Transportwegen.

 

Verantwortung der Abgeordneten

Als Abgeordnete/r im Deutschen Bundestag sind Sie nicht nur beim Thema Verkehrswende gefordert, vernünftige

Entscheidungen zu treffen. Eine Entscheidung für ein „Weiter so!“ hätte offensichtlich fatale Folgen. Sie sind gemäß

Grundgesetz Ihrem Gewissen, also Ihrem „Wissen“, gegenüber verantwortlich. Die einhelligen Erkenntnisse zur Klima-

und Artenkrise aus den verschiedenen Wissenschaftsbereichen liefern hinreichende Entscheidungsgrundlagen, um

das Leben auf unserem Planten zu erhalten. Doch dazu braucht es ein schnelles, mu4ges und konsequentes Handeln

mit Vernunft, das, wenn nötig, über Beschränkungen von Wahl- oder Parteiprogrammen hinausgeht.