2.6.23
Gefahren für das Grundwasser an der A49
Von dem Ausbau der A49 durch das Altlastengelände der WASAG geht eine erhebliche Gefahr für das Grundwasser aus: von den Verlagerungen von unbeprobter Erde, von den vielen dort befindlichen krebserregenden, erbgutschädigenden polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) und dem vielen geschredderten Holzmaterial.
Das zeigen die Hexogen-Werte im Grundwasser im WASAG-Gelände. Sie sind vor mehr als eineinhalb Jahren signifikant angestiegen - in der einzigen regelmäßig beprobten Messstelle im Westen der Trasse.[1] Die Werte dort - in der Grundwasserfließrichtung des Hauptgrundwasserstockwerks[2] - überschreiten den tolerablen „Geringfügigkeitsschwellenwert“ deutlich - aktuell um das 43fache.[3] Laut dem Umweltbundesamt erfordert das Maßnahmen zur Reduzierung des Wertes. Diese sind bisher nicht erfolgt.[4]
Dabei gibt es leicht umzusetzende Maßnahme. Denn es gibt eine leicht nachvollziehbare Erklärung für diesen signifikanten Anstieg: ca. 75 % der Überreste der gerodeten Bäume im WASAG-Gelände wurden geschreddert und über die Trasse verteilt.[5] V. a. aufgrund der Anreicherung in Tannennadeln in der Bodenstreuschicht ist aber genau hier mit einer Anreicherung mit Hexogen zu rechnen.[6] Dieses Schreddergut ist daher unverzüglich thermisch zu entsorgen, wie es ja auch für Holzmaterial im benachbarten DAG-Gelände vorgeschrieben ist.[7]
Unverständlich ist in diesem Zusammenhang, wieso das Regierungspräsidium trotz dieses signifikanten Anstiegs des Wertes für Hexogen verlautbaren lässt, dass bisher keine schädlichen Auswirkungen auf das Grundwasser oder die Trinkwassergewinnung festgestellt werden konnten.[8] Weitere schädliche Auswirkungen konnten dabei in der Tat bisher nicht festgestellt werden – aus dem einfachen Grund, dass sie nicht untersucht wurden:
1) Das Grundwasser im WASAG-Gelände wird nicht auf PAK beprobt. Dabei sollte es laut dem Sanierungsplan bis mindestens zwei Jahre nach Abschluss der Sanierung mit beprobt werden.[9] Ohne Beprobung auf PAK konnten bisher naheliegenderweise keine relevanten Gehalte an PAK gefunden werden.
2) Grundwasser außerhalb des WASAG-Geländes wird nicht auf sprengstofftypische Verbindungen beprobt. Damit lassen sich die Auswirkungen der illegalen Verlagerung von unbeprobter oder unzureichend „freigemessener“ Erde[10] aus dem WASAG-Gelände im Wasser nicht nachweisen.
Diese Missstände sind ebenso unerklärlich wie der Umstand, dass das Regierungspräsidium (außer einer weiteren Beobachtung) keine Konsequenzen aus den überhöhten Hexogen-Werten zieht und dass es entgegen dem eigenen Bescheid zum Sanierungsplan neue Messstellen für nicht notwendig erachtet.[11] Dabei machen es die gravierenden Verstöße gegen die Bestimmungen des Bodenschutzes mehr als wahrscheinlich, dass sich die Wasserqualität in etlichen Bereichen der Trasse signifikant verschlechtert hat. Daher ist es unbedingt erforderlich, alle diese Missstände umgehend abzustellen.
[1] Eine weitere Messstelle westlich der Trasse ist seit Jahren trocken gefallen, eine weitere ist seit Juli 2016 überwiegend trocken und wird wegen der geringen Wasserführung nur sporadisch beprobt.
[2] vgl. Jahresbericht zum Grundwassermonitoring des WASAG-Geländes 2022, vom 19.4.23, S. 7.
[3] Der Wert war im Winter 2021 steil angestiegen, im Sommer 2022 etwas gefallen und ist laut dem Bericht von April 2023 wieder angestiegen.
[4] Das Regierungspräsidium kann keinen Zusammenhang mit den Arbeiten an der Autobahn erkennen, Der Anstieg lässt sich aber kaum mit der schon viele Jahre zurückliegenden Sanierung der Füllgruppe I begründen. (Vgl. den Kurzbericht zum Grundwassermonitoring des WASAG-Geländes vom 21.4.23)
[5] Die Wurzelstubben innerhalb des Sanierungsbereiches wurden thermisch verwertet, weil sich Wurzelstubben aus dem sog. „Weißbereich“ – also dem nach dem Sanierungsplan nicht kontaminierten Bereich – als belastet erwiesen hatten. Der "Sanierungsbereich" der DEGES innerhalb der Trasse betrug 30.200m2 und damit weniger als 25 % des gesamten Trassenbereiches im WASAG-Gelände von ca. 140.000 m2.
Das Material aus der Fläche, die nicht im Sanierungsbereich lag, also ca, 75 % des Materials, wurden NICHT entsorgt.
[6] Kora TV 5 Altlasten, S. 64. Hexogen - auch RDX genannt - ist ein an diesem Standort ein mengenmäßig relevanter Stoff, vgl. eine Informationsschrift der Bundeswehr. S. 56. Er wird in Nadelbäumen gut gespeichert und nach der Rodung wieder freigegeben. Daher wird empfohlen, Nadelwälder auf Rüstungsaltstandorten grundsätzlich zu erhalten (Kora TV 5, S. 64).
[7] vgl. die Entscheidungserheblichen Unterlagen zur Betriebsgeländeerweiterung von Ferrero, S. 67.
[8] https://www.op-marburg.de/lokales/marburg-biedenkopf/stadtallendorf/behoerde-sieht-keinen-grund-fuer-groesseren-a49-baustopp-bei-stadtallendorf-3DTQAIRWDBGXRAFLEXU44PPBUI.html
[9] Vgl. den Sanierungsplan vom 1.11.2017, S. 17, Anlage 8.1. S. 2 und 3 vom 27.10.2017 – Die Empfehlung gründet auf den Erfahrungen der Sanierungsarbeiten der Füllgruppe I. Selbst das Baustellenwasser während der Sanierung wurde nicht auf PAK beprobt. Dabei heißt es in der Anlage 8.2. des Sanierungsplans (in der beschrieben wird, dass PAK auf Empfehlung der Firma, die das Monitoring durchführt, nicht aufgenommen wird): „Sollten im Rahmen der Sanierungsarbeiten im Baustellenwasser relevante Gehalte an PAK, BTEX oder KW nachgewiesen werden, sollte das Untersuchungsprogramm entsprechend angepasst werden.“
[10] Vgl. Absatz 2 des links.
[11] Laut Bescheid zum Sanierungsplan sind nicht mehr beprobbare Messstellen zu ersetzen. Das wurde bisher weder für die Messstelle WAS 4 noch für die niemals beprobte Messstelle B336 umgesetzt.