Es scheint, als ob sich keiner verantwortlich fühlt für die Durchsetzung des Planfeststellungsbeschlusses. Die Planfeststellungsbehörde jedenfalls schreibt immer wieder, dass sie es nicht ist.
Übrigens: Bundestagsjuristen bezweifeln Verfassungsfestigkeit von Scheuers Autobahnreform
Nach einem Bericht in der Augsburger Allgemeinen vom 28.7.21 spricht vieles dafür, dass die Autobahnreform gegen das Grundgesetz verstößt: "Es handelt sich dabei nach Einschätzung der Experten des Wissenschaftlichen Dienstes des Parlaments um eine Mischverwaltung, die es eigentlich nicht geben sollte." Dabei habe die Reform mit 325 Millionen Euro bisher achtmal mehr als ursprünglich kalkuliert.
Seit Oktober 2020 behauptet der Verkehrsminister, er habe keine Handlungsmöglichkeit. Auch einen Appell ignorierte er im November 2020. Damals hatte es aus dem hessischen Verkehrsministerium geheißen: "Wir werden den Appell (für den Erhalt des Dannenröder Forstes) unverzüglich an den Bundesverkehrsminister weiterleiten, der als Bauherr der Einzige ist, der das Projekt stoppen kann". Auch am 2.2.21 wies Tarek Al-Wazir sämtliche Verantwortung von sich, das Bundeverkehrsministerium wiederum spielt den Ball zurück nach Hessen, wie der Screenshot der Pressemitteilung der Linken vom 4.3.21 belegt.
Auf Nachfrage schreibt Tarek Al-Wazir irritierenderweise von "Fake news" der Linken, auch wenn er zugibt, dass die Verantwortung für den Planfeststellungsbeschluss in Hessen liegt. Und was ist mit dem hessischem Urkundenpapier, auf dem der Vertrag unterzeichnet ist?
Was sagt der Planfeststellungsbeschluss?
Auf Seite 494 des Planfeststellungsbeschluss wird konstatiert: Unter Berücksichtigung der hohen Bedeutung des aus Gründen des Allgemeinwohls notwendigen Vorhabens konnten daher die erforderlichen Erlaubnisse und Genehmigungen erteilt werden.
Die Erlaubnis der Einleitung von Niederschlagswasser "kann jederzeit - auch teilweise - widerrufen werden." (PFB S 15), ebenso wie die Erlaubnis "für das Aufstauen, Absenken und Umleiten von Grundwasser durch dauerhaftes Einbinden baulicher Anlagen in das Grundwasser" (S. 17).
Allerdings ....
"Baurecht ist keine Baupflicht, aber auf's Baurecht kann immer nur der Bauherr verzichten und das ist in dem Fall der Bundesverkehrsminister" sagt Tarek Al-Wazir in einem Interview im Winter letzten Jahres (im Video ab 0:55 min) Warum er den Bau trotz nicht existenter Baupflicht umsetzt, ist nicht erklärlich. Merkwürdigerweise kommt er zu dem Schluss: "Die Länder müssen ein solches Projekt umsetzen" (im Video Minute 10).
Vielleicht meint er, der Bau wäre nicht erheblich, wie sein Satz nahelegt: "Die Klimakrise ... entscheidet sich nicht an 31 km Autobahn in Mittelhessen." (im Video ab Minute 10:10 min). Er sollte sich dringend mal mit den Fragen zum Wasserschutz auseinandersetzen!
Aber auch im Umwelministerium sieht man keine Einwirkungsmöglichkeit seitens des Bundes: Auf die Frage nach einer Reaktion auf die Stellungnahme zu den nicht plangemäß umgesetzten Ausgleichsmaßnahmen vom September 2020 schreibt schreibt ein Sprecher der Umweltmininisterin Svenja Schulze auf Nachfrage am 12.3.21 "Nach dem Grundgesetz sind die Länder für die Ausführung der Bundesgesetze zuständig und entscheiden nach Maßgabe der Vorgaben des Bundes- und Landesrechts einschließlich des Bundesnaturschutzgesetzes in eigener Verantwortung. Dem Bund steht insoweit keine Einwirkungsmöglichkeit zu."
Wer sagt die Unwahrheit???
Die Planfeststellungsbehörde schreibt wiederholt, sie sie gar nicht mehr für den Ausbau der A49 zuständig.
Demgegenüber steht auf der Seite des hessischen Verkehrsministeriums eindeutig: "Planfeststellungsbehörde für Bundesautobahnen ist das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Wohnen. Das Land Hessen hat die Zuständigkeit für die Planfeststellung von Bundesautobahnen nicht an das Fernstraßen-Bundesamt abgegeben."
Die Verantwortlichkeiten beim Ausbau hat David Bauer am 24.11.20 in seiner juristisch-politischen Analyse "Grüne Handlungsverweigerung im Fall der A49" veröffentlicht:
Der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages stellt fest, dass Baurecht nicht Baupflicht bedeutet. Daher hätte das Land Hessen, vertreten durch den Verkehrsminister Tarek Al-Wazir die Planungen nicht umsetzen müssen.
Tarek Al-Wazir kann den Ausbau stoppen, in dem er das Vorsorgeprinzip im Wasserschutz ernst nimmt. "Das Vorsorgeprinzip ermöglicht es dem Staat insbesondere, Situationen der Ungewissheit rechtlich zu bewältigen, und stellt sicher, dass der Staat auch in diesen Situationen handlungsfähig ist. Es kann umweltschützendes staatliches Handeln legitimieren oder sogar gebieten. In Situationen der Ungewissheit können die Folgen eines Tuns für die Umwelt wegen unsicherer oder unvollständiger wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht endgültig eingeschätzt werden, die vorliegenden Erkenntnisse geben aber Anlass zur Besorgnis. In diesen Fällen muss der Staat nicht abwarten, bis Gewissheit besteht, sondern er kann unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf den Besorgnisanlass reagieren."
Nähere Hinweise enthält auch ein Greenpeace-Gutachten zu den rechtlichen Möglichkeiten beim Wasserschutz von Oktober 2020.
Und auch David Bauer schreibt am 24.11.20 in "Grüne Handlungsverweigerung im Fall der A49": "Es hängt an Wiesbaden" und führt aus: "Tatsächlich sind also die Kompetenzen und Handlungsmöglichkeiten von Hessen weitreichend. Wenn jemandem in Wiesbaden jetzt auffiele, dass die Planungen aktuellen Standards nicht mehr genügten (Klima, Umwelt, Wasser etc), (doch) eine Gefahr darstellten, man in der Vergangenheit schlicht Wichtiges übersehen hatte oder sich die Gesamtsituation veränderte (Trinkwassernotstand! während der letzten Sommer) und daher die Planungen überarbeitet werden müssten, um jene Gefahren abzuwenden und Sicherheit zu gewährleisten, was will der Bundesverkehrsminister dann machen?"
David Bauer weist außerdem das gerne genannte Argument des vorliegenden Planfeststellungbeschlusses zurück:
Dem Bundestag lag über mehrere Monate eine Petition zu einem alternativen Bundesstraßenausbau vor. Mit dem Bundesstraßenausbau Planfall P2 gibt es eine (immer noch kostengünstigere) Alternative zur endgültigen Zerstörung des Trinkwasser- und Naturschutzgebietes durch Asphaltierung für die A 49. Diese Petition wurde vom Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages abgelehnt. Und das, obwohl Bundestagsabgeordnete bisher widerrechtlich nicht die Möglichkeit erhalten haben, Einblick in die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung und in die Verträge zu bekommen. Es müssen Wege auffindbar sein, das zu ändern!
Die Politiker:innen schieben die Verantwortung bisher noch alle von sich weg. Aber auch jede:r Bürger:in hat Möglichkeiten der Einflussnahme und damit die Möglichkeit, selber Verantwortung zu übernehmen: