Das Regierungspräsidium kann laut einem Bericht in der Oberhessischen Presse vom 21.4.23 keine Täuschung erkennen.
Das ist nicht weniger skandalös als die fehlende Nachuntersuchung selber - siehe weiter unten!
Zusammenfassung
In diesem Bereich zwischen Bauwerk 8 (Talbauwerk Kirschbrückhege) und 9 in der Wasserschutzzone II (Foto vom 19.3.23) wurden über 11.000 Kubikmeter Erde eingebracht, die aus der Baugrube stammen, in dem das hochgiftige Hexyl nachgewiesen wurde. Diese Erde wurde bei der Nachuntersuchung zum Hexylfund NICHT beprobt.
Der Hintergrund
Am 8. Mai 2022 haben Anwohner:innen an der Artilleriestraße in Stadtallendorf im Trassenbereich der umstrittenen A49 durch den Dannenröder Forst gelbe Klümpchen gefunden, die sich als hochgiftiges Hexyl erwiesen.
Dieses Hexyl wurde zu Kriegszeiten im Gelände der WASAG hergestellt. Die Sanierung im Rahmen des Baus der A49 umfasste – ungeachtet der umfangreichen Sprengungen nach dem Krieg – nur einen Teil des Trassenbereichs,
Das Regierungspräsidium Gießen schreibt, dass das Hexyl dem Unterbau der Artilleriestraße entstammt, Diese wurde Ende April abgefräst und Anfang Mai aufgerissen. Aus dem Regierungspräsidium hieß es dazu, der Bereich der Straße sei bei der Sanierung bewusst ausgenommen worden, weil man „die Straße sonst wie einen Schweizer Käse (habe) durchlöchern müssen“! Die Gelegenheit zur Beprobung nach dem Aufreißen der Straße wurde offenkundig nicht genutzt.
Laut dem Regierungspräsidium Gießen gab es nach dem Hexylfund eine Beprobung des Materials, das aus der Baugrube unter der Artilleriestraße abtransportiert worden war.
Der Skandal um die Nachbeprobung
Diese Untersuchung umfasste allerdings nur einen geringen Teil des Materials aus den tieferen und damit mutmaßlich weniger belasteten Bereichen.
Denn den Fuhrscheinlisten lässt sich entnehmen:
Die Nachbeprobung umfasste laut dem Nachuntersuchungsbericht allerdings lediglich den Bereich zwischen Bauwerk 9 und 10. Die hier eingebrachten 1.490 Tonnen waren mit 11.220 Kubikmeter Erde aus anderen Bereichen überlagert bzw. vermischt worden! Das bedeutet: Es wurde Erde beprobt, die nur zu einem kleinen Teil aus dem potentiell ungefährlichen Teil der kontaminierten Baugrube stammt. Der weitaus größere Teil des Materials- über 11.000 Tonnen Erde aus dem oberen Bereich der mit Hexyl kontaminierten Baugrube - liegt immer noch unbeprobt in der Wasserschutzzone II!
Daraus ergeben sich folgende Fragen:
1) Warum wurde die Erde unter der Artilleriestraße nach dem Aufreißen der Straße nicht vor Ort beprobt, wo doch der Bereich bei der Sanierung „bewusst ausgenommen“ wurde, da die Straße nicht aufgerissen werden sollte?
2) Warum wurde nur die eher unproblematische Erde zwischen Bauwerk 9 und 10 beprobt, nicht aber die Erde zwischen Bauwerk 8 und 9, in der sich mit hoher Wahrscheinlichkeit noch Hexyl finden lässt, vor allem vor dem Hintergrund, dass Erde aus dem Hügel mit den hohen Kontaminationen vor dem Baustopp noch abgetragen wurde (vgl. https://www.danni-lebt.de/un-recht/baustopp/fundort/ )
Mit anderen Worten: kann es sein,
Eine Anfrage der Parents for Future zu der fehlenden Nachbeprobung wurde trotz vielfältiger Nachfragen seit über einem Monat nicht beantwortet. Lediglich die Oberhessische Presse hat eine Antwort erhalten. Sie zeigt auf, dass das Regierungspräsidium kein Interesse hat, die im letzten Mai angeforderte Nachbeprobung durchzusetzen.
1) Regierungssprecher Thorsten Haas moniert, dass 1.000 Kubikmeter mit 11.000 Tonnen gleichgesetzt wurden, dabei entspricht dies einer vorsichtigen Schätzung zur Verdeutlichung der Menge. Wahrscheinlicher ist, dass ein Kubikmeter Erde aus dem WASAG- Gelände ca. zwei Tonnen wiegt. Wieviel Tonnen es nun genau sind, ist allerdings wenig erheblich.
2) Regierungssprecher Thorsten Haas wird mit den Worten wiedergeben, "dass auch andere Flächen vor der Entnahme von Erde beprobt und analysiert wurden. Eine Verlagerung entsprechenden Materials sei somit zulässig - und eine Nachbeprobung nicht mehr nötig." Allerdings hatte Thorsten Haas nach dem Hexylfund zugegeben, der betroffene Bereich unter der im Mai aufgerissenen Artilleriestraße sei NICHT beprobt worden. Der FFH berichtet: "Der Bereich der Artilleriestraße in Stadtallendorf sei dabei bewusst ausgenommen worden. Man habe sonst die Straße sonst wie eine Schweizer Käse durchlöchern müssen. Im Zuge des A49-Autobahnbaus werde nun aber auch die Straße umgebaut und aufgerissen. "
3) Regierungssprecher Thorsten Haas schreibt: "Eine Zugänglichkeit des eingebauten Materials und Trennbarkeit von anderen Materialien musste, soweit noch möglich, gewährleistet sein." Allerdings wurde im Rahmen der Nachuntersuchung in acht Quadranten Erde beprobt, die nicht dem WASAG-Gelände entstammt, für weitere sechs Quadranten ist dokumentiert, dass die Erde größtenteils nicht der Artilleriestraße entstammt. Obwohl die Erde also aus einem nicht beprobten Bereich entstammte, obwohl Erde aus diesem Bereich separiert worden war und auffällige Verfärbungen zeigte, und obwohl das Regierungspräsidium zum Zeitpunkt der Verlagerung der Erde nach Bauwerk 9 und 10 am 9. und 10. Mai bereits über den Fund von sprengstofftypischen Verbindungen informiert war, wurde nicht darauf geachtet, dass das Material gut wiedergefunden werden kann.
4) Im Endbericht zur Nachuntersuchung heißt es, das Material aus der Artilleriestraße sei zwischen Bauwerk 9 und 10 in unterschiedlichen Tiefen und in unterschiedlichen Mächtigkeiten eingebaut. Allerdings wurde Erde aus der Artilleriestraße dort nur am 9. und 10. Mai eingebracht. Für diese Tage sind keine weiteren Verlagerungen zu Bauwerk 9 und 10 dokumentiert, ebensowenig für den 11. Mai. Am 12. Mai wurde der Baustopp verhängt. Wenn dem Baustopp Folge geleistet worden wäre, dann hätte die Erde aus der Artilleriestraße nur ganz oben in der Dammauschüttung gefunden werden können, aber nicht in unterschiedlichen Tiefen und unterschiedlichen Mächtigkeiten. Das zeigt, dass der Baustopp durchaus missachtet wurde!
Missachtung des Bodenmanagementkonzeptes
Das Bodenmanagementkonzept entspricht nicht den Vorgaben des Planfeststellungsbeschlusses. Aber selbst die dortige Vorgaben werden nicht eingehalten. So finden sich zwischen Bauwerk 8 und 9 Mauersteine, die mit Teer beschichtet und damit mit hochgiftigem PAK verunreinigt sind (Foto vom 19.3.23). Diese Mauersteine sind durchaus "organoleptisch auffällig", nämlich pechschwarz. Damit hätten sie vor der Verlagerung separiert und beprobt werden müssen.