Woche 5: Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie

Damit der Ausbau der A49 rechtens ist, müsste die europäische Wasserrahmenrichtlinie eingehalten sein, d. h. die Qualität und die Quantität des Oberflächen- und des Grundwassers müsste erhalten bleiben. Dazu gab es einen Fachbeitrag, der pünktlich zum Rodungsbeginn Ende September 2020 fertiggestellt worden ist. Direkt nach Erscheinen, gab es massive Kritik an dem Fachbeitrag, die von der hessischen Landesregierung - offenkundig zu Unrecht - abgewiesen wurde. Ein Antrag der Partei Die Linken auf Überprüfung der wasserrechtlichen Erlaubnisse wurde im Landtag in zwei Jahren nicht verhandelt! Damals war das Verkehrsminister noch der Auffassung, die Kritik wäre substanzlos und er habe keine Möglichkeit zu handeln (so in der Antwort 5 auf eine Anfrage der Partei Die Linken). Inzwischen hat der hessische Verkehrsminister eine Kehrtwende vollzogen: Er ordnete Anfang Dezember nun doch eine teilweise Neuberechnung zur Entwässerung beim Bau der A49 an. Das zeigt, dass er zwei Jahre lang die Unwahrheit gesagt hat. Den Wasserschutz wird das aber nicht sicherstellen. Denn die Neuberechnung umfasst nur wenige Mängel des Gutachtens. Wesentliche bleiben unberücksichtigt! Die Partei Die Linke hat dazu am 28. Februar eine Anfrage im hessischen Landtag gestellt - wir sind gespannt auf die Antworten! 

1.3.23 Wassergutachten macht Falschaussagen zum Thema "Fernableitung"

Die ahu GmbH behauptete in ihrem Fachbeitrag ursprünglich, das Wasser würde durch die Fernableitung aus der Wasserschutzzone II hinausgeleitet (S. 13 des links,  obwohl sie seit dem Verfassen der Risikostudie 2006 weiß, dass das nicht der Fall ist. Dort hatte sie die Einleitestelle (Foto 1) sogar als „Maßnahme zur Minimierung des Risikos für Trinkwassergewinnung“ (!) deklariert, obwohl sie festgestellt hatte, dass hier – anders als weiter nördlich - aufgrund der Wasserverhältnisse ein Schadstoffeintrag möglich ist! Diese Falschaussage machte eine Überarbeitung des Fachbeitrags notwendig (vgl. S. 1 und 9 des links). Darin nun rechtfertigte die ahu GmbH die Einleitestelle mit der Behauptung, dass ausschließlich in Hochwassersituationen ein Schadstoffeintrag möglich sei (S. 71 des links). Dazu nutzte sie - wie bei den Ausführungen zu einer Klageerwiderung in 2021 - die Werte des mehr als einen Kilometer entfernten Brunnens P 31, an dem andere Grundwasserverhältnisse vorliegen als am Brunnen P 30 in der Nähe der Einleitestelle. Das bedeutet, dass diese Argumentation auf unpassenden Grundlagen basiert und das Ende der Fernableitung in der Wasserschutzzone II – wie in der Risikostudie beschrieben - für Schadstoffeinträge verantwortlich sein wird. Eine Berücksichtigung dieser Schadstoffe wurde allerdings nicht angeordnet.

 

2.3.22 Wassergutachten macht Falschaussagen zur Entwässerung

Im Gutachten zur Wasserrahmenrichtlinie heißt es: "Aufgrund der vollständigen Lage der geplanten Autobahn in Wasserschutzgebieten wird das gesamte Niederschlagswasser/Straßenabwasser gefasst und abgeleitet. Ein ungeregelter Abfluss über angrenzende Bankett- und Böschungsflächen erfolgt nicht (S. 8)." Im Planfeststellungsbeschluss lässt sich nachlesen, an wievielen Stellen diese Aussage unzutreffend ist. "Zusätzlich werden der Mittelstreifen ... abgedichtet". Allerdings erfolgt durchaus ein Abfluss ohne vorherige Fassung. So heißt es in der Unterlage 13.2. z. B. "Für den Böschungsbereich am Talbauwerk der Joßklein wird der Böschungsabfluss flächig in die angrenzenden Feuchtgebiete verteilt, um so den Verlust von Oberflächen- und Grundwasser auf Grund der geplanten Entwässerung der Straßenoberfläche auszugleichen". Und für die Schutzzone III gilt, dass der Böschungsabfluss v. a. über „Fließretention“ erfolgt, (PFB S. 473) Dieses Wort bezeichnet nichts anderes als den „natürlichen Rückhalt“ von Wasser beim Fließen über eine Fläche, vgl. S. 2 des links). Außerdem ist es nicht zutreffend, dass der Mittelstreifen überall abgedichtet wird. Und vor allem sind die Regenrückhaltebecken, die vor dem Bau der Trasse fertiggestellt sein sollten, noch lange nicht fertig. Damit wird das Baustellenwasser momentan kaum gefasst und abgeleitet. 

3.3.23 Wassergutachten nutzt 20 km entfernte Messstelle

Ein Gutachten zur Europäischen Wasserrahmenrichtlinie muss den aktuellen Zustand der Grundwasserkörper als Basis nehmen. In Ermangelung von passenden Daten erlaubte das Regierungspräsidium Gießen (S. 22 des Dokuments), eine 20 km entfernte Messstelle zu nutzen (siehe S. 27 des Dokuments). Dabei sind nach §10 OGewV repräsentative Messstellen erforderlich. Es brauchte erst ein anwaltliches Schreiben und mehr als ein Jahr an Zeit, bis zugegeben wurde, dass diese Messstelle tatsächlich nicht nutzbar und neue Untersuchungen erforderlich sind. Diese wurden angeordnet, müssen aber erst einen Monat vor Inbetriebnahme der Autobahn vorgelegt werden.

4.3.23 Wassergutachten ohne das Thema "Altlasten"

Obwohl in vielen Dokumenten zu lesen ist, dass von den Altlasten eine Gefahr für das Grundwasser ausgeht, findet sich in dem Fachbeitrag der ahu zur Wasserrahmenrichlinie nichts zu diesem Thema. Denn angeblich stellen die Nebenbestimmungen sicher, dass von den Altlasten keine Gefahr ausgeht. Allerdings wurde ja Erde unbeprobt und Erde mit Kontaminationen in die Wasserschutzzonen verlagert. Damit müssten die Auswirkungen untersucht werden.

Hier geht es zu einem Gutachten der Linksfraktion mit weiteren Kritikpunkten.

5.3.22 Vorgeschobene neue Verordnung

Erst mehr zwei Jahre nach der massiven Kritik an dem Gutachten, dass 2020 pünktlich zum Rodungsbeginn bescheinigte, dass die europäische Wasserrahme-nrichtlinie eingehalten wird, besann sich der hessische Verkehrsminister Tarek Al-Wazir, dass er doch Möglichkeiten der Einflussnahme hat und ordnete eine Neuberechnung der betriebsbedingten Auswirkungen des Autobahnbaus auf das Wasser an. Als Begründung dafür gab er neue Vorgaben an. Dabei bezieht er sich allerdings auf ein "Merkblatt", das Empfehlungen und Hinweise darlegt und bereits in 2021 erschienen ist. Die Gesetze haben sich nicht geändert! Dazu gibt es von der Partei Die Linke spannende Fragen an den hessischen Verkehrsminister! Denn auch die wichtigsten Kritikpunkte bleiben bei der Neuberechnung allerdings unberücksichtigt, z. B. sind weder die Altlasten noch die Einleitestelle Teil dieser Anordnung.

6.3.23 Kurzfristige Verschlechterung angeblich nicht relevant

Der Verkehrsminister lässt die baubedingten Auswirkungen nicht überprüfen. Denn in dem Merkblatt zur Wasserrahmenrichtlinie heißt es, lokale Beeinträchtigungen während der Bauphase stellen keine Verschlechterung dar (nur evtl. dann, wenn sie lange andauert ... S, 34). Dieses Merkblatt wird Dr. Ulrich Kasting, einem Mitarbeiter der Autobahn GmbH verantwortet.  Die Aussage entspricht nicht der Rechtssprechung (vgl. Punkt 101 des links) und in der der Richtlinie 2000/60 heißt es, dass eine vorübergehende Verschlechterung verstößt nur unter besonderen Voraussetzungen nicht gegen die Anforderungen - diese liegen hier nicht vor! (Seite 10, Artikel 4 Punkt 6 des links). Auch wenn das Merkblatt kein Gesetz ist, hält sich Tarek Al Wazir lieber an diesen Text als an den Gesetzestext!  

 

7.3.23 Keine Überprüfung der Auswirkungen auf die Grundwasserquantität

Die Grundwasserpegel sind in der Umgebung der Trasse in den letzten Jahren massiv gesunken, so dass im Sommer bereits mehrfach eine Wasserentnahme-verbot ausgesprochen werden musste und sich die Regierenden nach neuen Wasservorkommen umsehen. Die Versiegelung durch die Trasse im Umfang von fast 100 Hektar (vgl. S. 72) wird zu einer weiteren Verschärfung der Situation führen, ebenso auch der Umstand, dass durch die Tieferlegung der Trasse noch mindestens 100 weitere Hektar Wald verloren gehen werden und zu einer weiteren Austrocknung führen. Auch der Einschnitt selber hat gravierende Auswirkungen für die keine Ausgleichsmaßnahmen vorgesehen sind. Dennoch wird der Autobahnausbau nicht auf seine Auswirkungen auf die Trinkwassermenge hin untersucht. (Foto: Trasse im Herrenwald am 12.6.22)