Baustopp an einer Dammaufschüttung

Eine Anzeige beim Landeskriminalamt und beim hessischen Innenministerium mitsamt drei Analyseprotokollen mit den Nachweisen von giftigen polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) hat am 4. Mai zu einem Baustopp an einer Dammaufschüttung bei Stadtallendorf geführt. Sie liegt zwischen den Brückenbauwerken 8 und 9 der Trasse der A49.

 

In einer Pressemitteilung des Regierungspräsidiums heißt es: "Zunächst wird nun untersucht, woher das Material in dem Damm stammt, in welcher voraussichtlichen Menge sich schadstoffhaltige Bruchstücke darin befinden und ob eventuell weitere Verunreinigungen vorhanden sind." Diese Formulierung verwundert. Denn nach dem Aufriss der Artilleriestraße Ende April 2022 wurde Erde aus dieser Baugrube in diese Dammaufschüttung gebracht. Die Menge der zwischen dem 2. und 11. Mai 2022 verlagerten Erde beträgt 11.580 Kubikmeter.

 

 


Eigentlich hätte diese Erde im Rahmen des Teilbaustopps ab Mai 2022 beprobt werden müssen. Stattdessen beprobt wurde eine weiter nördlich gelegene Dammaufschüttung zwischen Bauwerk 9 und 10. Hier waren am 9. und 10. Mai 1.490 Kubikmeter Erde eingebracht worden. In diese Dammaufschüttung wurde in den folgenden Wochen noch 12.020 Kubikmeter Erde aus anderen Abgrabungen eingebracht, so dass in der Nachbeprobung im Rahmen des Hexylfundes in etlichen Proben gar keine Erde aus der mit Hexyl kontaminierten Baugrube vorhanden war. Das Regierungspräsidium konnte hier bisher keine Missachtung des Teilbaustopps erkennen, obwohl die Erde aus der Artilleriestraße in unterschiedlichen Tiefen gefunden wurde.

 

Dass bei der Nachbeprobung keine nennenswerten Kontaminationen zu finden waren, war also nicht verwunderlich: 

a) Die am 9. und 10. Mai abgegrabene Erde stammt aus den tieferen Schichten der Baugrube an der Artilleriestraße, in der die Kontaminationen in der Regel geringer sind als in der Nähe der Oberfläche.

b) In vielen Proben hat eine (eigentlich verbotene) Durchmischung mit Erde aus anderen Bereichen stattgefunden. Damit wurde die Erde aus der Artilleriestraße - sofern überhaupt in den Proben vorhanden - "verwässert".

 

Die Parents for Future fordern daher, eine umfassende Nachbeprobung der gesamten Dammaufschüttung. Das erbaten sie beim Regierungspräsidium bereits am 13.3..Das Regierungspräsidium antwortete, mit dem Ausbauort BW 3 sei nicht nur der Bereich der Artilleriestraße gemeint, sondern auch die Bereiche nördlich und südlich davon, die vorab "freigemessen" wurden. Die Verlagerung der Erde nach BW 8-9 sei auf Basis dieser vorherigen Freimessung zulässig gewesen und eine erneute Beprobung nicht notwendig. Auch der Hinweis auf PAK-Funde vor Ort am 19.4. führte nicht zum Baustopp, sondern erst die Anzeige nach dem Gesetz für Sicherheit und Ordnung am 27.4. bzw. die Übersendung von drei Analyseprotokollen am 28.4. ...

 

Damit bei der neuen Beprobung alles mit rechten Dingen zugeht, fordern die Parents for Future außerdem die Beteiligung von Umweltverbänden.

Das RP schreibt:

dem Sinne nach:

1) Die Erde, die nach Bauwerk 8 bis 9 gebracht wurde, stammt nicht direkt von der Artilleriestraße, ...

2) ... sondern aus den Bereichen nördlich und südlich der Artilleriestraße, die vorher freigemessen wurden.

Dazu ist zu sagen:

1.1.: Am 11. Mai wurde laut den Fuhrscheinlisten Erde ausschließlich nach Bauwerk 8-9 verlagert. Für diesen Tag gibt es Augenzeugen, Fotos und Videos, die belegen, dass genau auf Höhe der Artilleriestraße Erde abgegraben wurde.

2.1.: Die "Freimessung" nördlich der Artilleriestraße, auf die sich das Regierungspräsidium bezieht, endete bei Baukilometer 58: 850 und damit 45 Meter nördlich der Artilleriestraße (siehe Plan unten).

2.2.: Für Verlagerungen in die Wasserschutzzone II muss die Erde alle 500 Kubikmeter beprobt sein. Die beprobten Felder nördlich und südlich der Artilleriestraße massen 35x55 Meter. Pro Meter Tiefe wurde eine Mischprobe (zusammengesetzt aus fünf Einzelproben) analysiert. Das ist eine Probe auf knapp 2000 Kubikmeter. Diese Erde hätte nicht in die Wasserschutzzone II verlagert werden dürfen.

2.3.: Nördlich der Artilleriestraße sind in den Sanierungsbaugruben Restkontaminationen verblieben, die die Grenzwerte mit 22,5 mg/kg Hexyl und 19 mg/kg PAK  deutlich übersteigen. Auf eine Anzeige hin, dass diese Erde nicht verlagert werden darf, antwortete das Regierungspräsidium, diese Bereiche seien freigemessen und dürften daher verlagert werden. (Durch die Mischproben - siehe 2.2.. - waren diese Werte verdünnt worden - so denn die Sanierungsbaugruben überhaupt Bestandteil der Mischproben waren ...)

 


Die Karte Unterlage 7.2 aus dem Planfeststellungsbeschluss zeigt, dass die Artilleriestraße südlich von Baukilometer 58:850 liegt. Die nachträgliche Beprobung nördlich der Artilleriestraße sparte diesen Bereich allerdings aus, obwohl genau hier die gesprengten Hexahäuser 3084 und 3085 lokalisiert waren.