Da die gesamte Trasse der A49 (VKE 40) durch ein Wasserschutzgebiet verläuft und da von den Arbeiten im Bereich des Rüstungsaltstandortes der WASAG in Stadtallendorf eine große Gefahr ausgeht ist eine Überwachung des Grundwassers notwendig. So heißt es im Sanierungsplan der DEGES: „Aufgrund der erheblichen Bodeneingriffe ist ein sanierungsbegleitendes Grundwassermonitoring erforderlich,“ da durch die lediglich „stichprobenhafte Bodenerkundung nicht vollständig ausgeschlossen werden (kann), dass im Sanierungsgebiet ggf. Bodenkontaminationen verbleiben...“ Bei der Umsetzung dieser Überwachung des Wassers gibt es allerdings gravierende Mängel:
15.2.23 Keine Untersuchungen zur Grundwasserfließrichtung
Um die Auswirkungen von Bauarbeiten auf das Grundwasser überwachen zu können, sind genaue Kenntnisse zur Fließrichtung unabdingbar. Für das WASAG-Gelände wurden dazu allerdings keine Untersuchungen durchgeführt. Stattdessen wurden die Untersuchungsergebnisse aus dem benachbarten Altlastengebiet der Dynamit AG kopiert. So wurden die Fließverhältnisse des WASAG-Geländes in der Risikostudie zum Autobahnbau mithilfe einer manipulierten Grafik aus dem DAG-Gelände dargestellt. In der ursprünglichen Grafik kennzeichnet ein „?“, die Erkenntnisse zum WASAG-Gelände – u. a. dieses wurde aus der Grafik entfernt. Damit entbehren sämtliche Beteuerungen zur Überwachung des Wassers einer nachvollziehbaren Grundlage. (Foto: Die Gesteinsmaserung quer zur Trasse zeigt an, dass Wasser nicht nur parallel zur Trasse fließt wie in den Plänen eingezeichnet.)
16.2.23 Kein Umsetzung der Vorgaben des Sanierungsplans
2010 waren zur Überwachung des WASAG-Geländes noch 29 Messstellen vorgesehen, 2013 war die Zahl auf sieben reduziert, die in drei verschiedenen Tiefen ausgebaut werden sollten [3]. Allerdings wurde nur eine einzige Messstelle dreifach ausgebaut. 2017 wurde im Sanierungsplan der DEGES dokumentiert, dass diese sieben Mess-stellen das für den Ausbau der A49 sanierte Gelände nur unzureichend überwachen. Daher wurde dort festgelegt, dass drei weitere Messstellen neu mit in das Monitoring aufgenommen werden. Eine dieser Messstellen wurde bis heute nicht eingerichtet. Damit ist das Grundwassermonitoring lückenhaft und entspricht nicht den Vorgaben.
17.2.23 Missachtung der Vorgaben des Bescheids zum Grundwassermonitoring mit skurrilen Begründungen
In dem Bescheid zum Sanierungsplan verlangte das Regierungspräsidium 2018 in einer Nebenbestimmung, dass nicht mehr beprobbare Messstellen zu ersetzen sind, liegt doch eine der vorgesehenen Messstellen (B 336) im Bereich der Trasse (s. Foto). Diese Messstelle wurde aber weder in Betrieb genommen noch ersetzt – mit folgenden zwei skurrilen Begründungen: 1) Die nahegelegene Messstelle A33 sei frei von Belastungen: nach dieser Logik wäre aber auch die Messstelle 12 A überflüssig, in der jüngst deutliche Kontaminationen gemessen wurden; denn die dort in anderen Tiefen befindlichen Messstellen 12 B und 12 C weisen keine erhöhten Werte auf. 2) Im Anstrom (also vor dem Durchfluß durch das WASAG-Gebiet) seien keine relevanten Schadstoffkonzentrationen nachgewiesen worden. Nach dieser Begründung kann ein Kaffee nicht nach Kaffee schmecken, wenn vor dem Durchfluß durch den Kaffeefilter kein Kaffeegeschmack nachgewiesen wird -was für eine Logik!
18.2.23 Keine Auskunft zu Messstellen
Bürger:innen wollten überprüfen, ob es sich bei der Messstelle auf dem Dreieck Artilleriestraße - Hauptmann-Matthes-Straße (direkt links neben dem Baum) um die neu eingerichtete Messstelle WAS 14 neu handelt. Unterlagen zu der Lage der Messstelle in Bezug auf die Höhe über dem Meeresspiegel stehen dem entgegen. Das Regierungspräsidium verweigert dazu eine Aussage, ebenso auch die Übersendung von Unterlagen, aus denen die Lage von Messstellen hervorgeht.
Die Begründung, man wolle Sabotageakte vermeiden, ist in Anbetracht der Tatsache, dass die Messstellen öffentlich zugänglich sind, nicht nachvollziehbar. Sie erweckt den Eindruck, dass es etwas zu verbergen gibt ... so wie es vielleicht ein Geheimnis bleiben sollte, dass die abgebildete Messstelle P 19 anders als in den Unterlagen zum Grundwassermonitoring doch existent ist ...
19.2.23 Keine Überwachung des Abstroms der Kläranlage
In verschiedenen Gutachten ist zu lesen, wie hoch kontaminiert und damit gefährlich der Bereich von Kläranlagen in Altlastengeländen ist (u. a. in "Boden gut gemacht", S. 162. Dort ist dokumentiert, dass in Stadtallendorf unter einer ehemaligen Kläranlage Belastungen von 1775mg/kg gemessen wurden!). In der Nähe der Trasse befindet sich an der Hauptmann-Matthes-Straße ein solches ehemaliges Klärbecken, das in alten Unterlagen fälschlicherweise als Wachhäuschen bezeichnet war. Dort fanden Anfang 2022 Arbeiten zur Leitungsverlegung unter der A49 Trasse statt, bei denen große Erdmassen an vermutlich hochkontaminierter Erde verlagert wurden. Rund um die Uhr wachte ein Sicherheitsdienst, dass niemand Unbefugtes den umzäunten Baustellenbereich betrat. Die potentiell giftige Erde wurde allerdings nicht beprobt. Dabei können im Zuge solcher Erdarbeiten Gifte "mobilisiert", also in Bewegung gesetzt werden. Damit können sie leichter als vorher über Regenwasser ausgewaschen und ins Grundwasser gespült werden. Allerdings gibt es keine Messstelle, die diese Belastungen aufspüren kann.
20.2.23 Keine Konsequenzen aus signifikanter Erhöhung der Messwerte
Seit Dezember 2021 zeigt sich, dass die Gefährdung des Wassers durch die Altlasten reell ist: in einer Messstelle im WASAG-Gelände wurden seither gravierende Erhöhungen von sprengstofftypischen Giften nachgewiesen. Dabei wurde der sogenannte Geringfügigkeitsschwellenwert – also der Wert, von dem angenommen wird, dass sein Überschreiten eine Gefahr für die Gesundheit mit sich bringt - um das um das bis zu 60(!)fache überschritten. Dennoch unternahm das Regierungspräsidium bisher nichts. 2018 hatte es in der Genehmigung der Sanierung (S. 23f) vage formuliert: „Sollten die Kontaminations-Werte in den Messstellen ansteigen, muss die Möglichkeit bestehen, durch Korrekturen bei den Sicherungsmaßnahmen dieser Entwicklung entgegenzuwirken und gegebenenfalls zusätzliche hydraulische Sicherungsmaßnahmen einzuleiten.“ Nicht weniger vage ist die Aussage im Sanierungsplan. Dort heißt es, im Falle einer erhöhten Schadstoffbelastung im Grundwasser sei „ggf.“ eine standortumfassende hydraulische Sicherung einzurichten. (Anlage 8.1. S. 3) Dieses „gegebenenfalls“ lässt dabei allen Spielraum, die Maßnahme nicht durchzuführen, und zeigt, dass es bisher keine hydraulische Sicherung gibt, die den Schutz des Grundwassers sicherstellt – anders als von der Bundesregierung im August 2020 behauptet (S.2)! Man fragt sich: Wofür soll ein Grundwassermonitoring gut sein, wenn keine Konsequenzen aus den Messungen folgen, obwohl das Umweltbundesamt solche für zwingend notwendig hält? (Laut Auskunft aus dem Umweltbundesamt ist eine bis zu 17fache Überschreitung des Wertes für eine Dauer von bis zu drei Jahren tolerabel. Bei darüberhinausgehenden Werten sind Maßnahmen zu ergreifen.!)
21.2.23 Gesundheitsamt Marburg interessiert sich nicht
Das Umweltbundesamt empfiehlt, das zuständige Gesundheitsamt über die signifikante Überschreitung des Geringfügigkeitsschwellenwertes zu informieren, damit dieses die Sicherheit des Trinkwassers überprüfen bzw. gewährleisten kann. Dieses antwortete auf eine entsprechende Anfrage: "Bitte wenden Sie sich in dieser Angelegenheit zuständigkeitshalber an das Referat 41.4 beim Regierungspräsidium Gießen." (Foto: Freepik,com)