Woche 5: Das Regierungspräsidium in Gießen

"Regierungspräsidien oder Bezirksregierungen sind in Deutschland staatliche Mittelbehörden, die für das Gebiet eines Regierungsbezirks als Schaltstelle zwischen Bundesland-Regierung einerseits und Landratsämtern, Städten und Gemeinden andererseits fungieren."   (Quelle: Wikipedia) Für die A49 hat das Regierungspräsidium Gießen infolge der politischen Entscheidung zum Ausbau daher offenkundig die Aufgabe, diesen Ausbau durchzusetzen. Als sichtbares Zeichen ist der Leiter der Behörde, der Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich im Vorstand des Vereins "Mittelhessen e. V.", der sich lautstark für den Ausbau der A 49 eingesetzt hat.  Daher ist es wenig verwunderlich, dass weder die im Regierungspräsidium Gießen ansässige obere Wasserbehörde, noch die Forstbehörde oder die Bodenschutzbehörde sich dem Ausbau in den Weg stellen. Daher wird der "Schutz des Grundwassers" nicht durchgesetzt, obwohl er nach eigener Aussage eine "wichtige Aufgabe des Regierungspräsidiums" ist. 

 

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1.3.22 Schlampereien bei der Grundlagenforschung zu den Altlasten

Laut Planfeststellungsbeschluss ist auf dem Gelände einer der gefährlichsten Rüstungsaltlasten Europas, das der WASAG in Stadtallendorf, das von der Trasse gekreuzt wird, eine Gefährdungsabschätzung durchzuführen. Diese Gefährdungsabschätzung bestand dabei lediglich aus einer Handvoll Proben (auf einem Abschnitt von über 2 km) und der Analyse von unvollständigem Kartenmaterial. Trotz vieler Hinweise auf die Lückenhaftigkeit des Materials und obwohl aufgrund von unkontrollierten Sprengungen nach Kriegsende die gesamte Fläche potentiell mit sprengstofftypischen Verbindungen kontaminiert ist, wurde nur weniger als die Hälfte des von der Trasse durchzogenen Bereiches saniert. (Vgl. die nicht sanierten roten Flächen im Bild auf Grundlage eines Plans der DEGES). Auch die verwendete Liste der zu Kriegszeiten verwendeten Sprengstoffe ist unvollständig. 

2.3.22 Ignoranz des "Leitfaden Rüstungsaltlasten"

Bei der Gefährdungsabschätzung ignorierte das Regierungspräsidium den "Leitfaden Rüstungsaltlasten" (S. 58ff). Demnach werden sprengstofftypische Verbindungen  in Wurzelstöcken, Hölzern und Nadeln gespeichert und nach der Rodung wieder freigesetzt. Trotzdem verbot das Regierungspräsidium die Verteilung von potentiell kontaminierten Wurzelstöcken und Nadeln auf der Trasse nicht. Zwar wurden bei Proben Kontaminationen festgestellt. Allerdings wurde trotzdem nicht sämtliches Wurzel- und Holzmaterial des Geländes verbrannt. Stattdessen wurden potenziell belastete Baumstämme wurden verkauft und riesige Mengen an Wurzeln und Nadeln auf der gesamten Trasse verteilt. 

3.3.22 Ignoranz von Hinweisen auf nicht umgesetzte FFH-Maßnahmen 

Bei der Planung wurde sich für eine Variante entschieden, die mit "erheblichen Beeinträchtigungen" für das europäische Naturschutzgebiet Herrenwald (Flora-Fauna-Habitat) entschieden (PFB S. 273). Wie erheblich die Beeinträchtigungen sind, ist daran ablesbar, dass "erhebliche Beeinträchtigung" im Planfeststellungsbeschluss 114x vorkommt. Diese Beeinträchtigungen sollen angeblich mit Ausgleichsmaßnahmen (FFH-Maßnahmen) komplett ausgeglichen werden. Allerdings sind einige davon  sinnlos (vgl. Unrechtskalender vom 24.2.), andere wurden nicht umgesetzt wie vorgeschrieben. Das Regierungspräsidium ignorierte sämtliche Hinweise darauf. 

4.3.22 Verbot von Versammlungen mit hanebüchenen Begründungen

Die geplante Autobahntrasse führt durch drei Gemeinden. Eigentlich sind die Ordnungsämter dieser Gemeinden (Homberg, Kirtorf und Stadtallendorf) für die Genehmigungen von Versammlungen verantwortlich. Doch im Herbst 2020 erklärte das Regierungspräsidium Gießen sich als Befürworterin des Autobahnausbaus selber zur Versammlungsbehörde und untersagte Proteste mit diversen Tricks. Die Unzulässigkeit manch hanebüchener Begründung bestätigte später das Verwaltungsgericht Gießen, dass einige Verbote nach Eilanträgen wieder aufgehob. Sogar das Bundesverfassungsgericht kippte einige Auflagen! 

5.3.22 Ignoranz von Beweisen der unzureichenden Sanierung

Das Regierungspräsidium ignoriert verschiedenste Beweise einer unzureichenden Sanierung; es wurde hochgiftiges TNT in Hölzern auf der Trasse nachgewiesen - die Aussagekraft ist bis heute ignoriert. Nicht entsorgte Mauerreste wurden gefunden - bis jetzt ohne Konsequenz. Auch das Fehlen von Beprobungsprotokollen und der Hinweis auf Altkanäle, die laut Planfeststellungsbeschluss hätten saniert werden müssen, hatten bisher keine Relevanz.  Der Bereich, in dem im April Grundmauern eines nicht kartierten Gebäudes dokumentiert wurden, wurde erst fünf Monate später untersucht, als die Mauern und ein großer Teil der Erde schon verschwunden war. Die Beprobung zeigte Kontamination. Für die abtransportierten Steine und die große Menge an bereits verlagerten Erdmassen kam diese Aussage zu spät! 

6.3.22 Falschaussagen zur Sanierung 

Das Regierungspräsidium verteidigt die mangelhafte Umsetzung des Sanierungsplans  mit unzutreffenden Äußerungen, u. a., (1) alle ausgebauten Materialien seien beprobt worden, obwohl unzählige unbeprobte Mauerreste gefunden wurden, (2) die Grundmauern des nicht kartierten Gebäudes lägen nicht auf der Trasse, obwohl dort später Baggerschürfen durchgeführt wurden und (3) Funde von sprengstoff-belasteten Hölzern seien dem Regierungspräsidium nicht bekannt, obwohl das Regierungspräsidium bei einem Vor-Ort-Termin darüber informiert wurde und  dort behauptete, die Tests seien nicht aussagekräftig.

7.3.22 Unzureichende Ahndung von unzulässigen Wasseransammlungen

Seit Herbst 2021 wird das Regierungspräsidium Gießen wiederholt auf Wasseran-sammlungen auf der Trasse aufmerksam gemacht, die laut Planfeststellungsbeschluss in Regenrückhaltebecken vorgereinigt werden müssen. Konsequenzen hatte das bisher kaum, außer dass ein paar Rohre verlegt wurden, die eine Wasseransammlung zu einem angeblichen Erdwallbecken machen. Von der behaupteten Vorreinigung ist weit und breit nichts zu sehen. Und der abgebildete See in einer Baugrube im WASAG-Gelände wurde unbeprobt in die Kanalisation entlassen, obwohl nicht auszuschließen ist, dass hier sprengstofftypische Verbindungen ausgewaschen wurden.

Alle hier dokumentierten Rechtsverstöße, Lügen, Merkwürdigkeiten, Ungereimtheiten und Schlampereien wurden nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert. Viele Fragen wurden seitens der Verantwortlichen dabei bisher unvollständig  oder gar nicht beantwortet. Es zeigt sich, dass dieser fehlerbehaftete Ausbau umgehend gestoppt werden muss. Schon das Wasserrecht bietet dazu hinreichend Möglichkeiten.

  

Hinweise auf weitere Rechtsverstöße und mögliche Recherchefehler unsererseits nehmen wir sehr gerne über das Kontaktformular entgegen.