Baustopp bei der A49 – eklatante Versäumnisse bei der Sanierung (Stand: Mai 2022)

 

Das Regierungspräsidium in Gießen hat den Weiterbau der A49 im Bereich des WASAG-Geländes gestoppt, nachdem wegen des Fundes von Hexyl eine Anzeige nach dem Gesetz für Sicherheit und Ordnung gestellt wurde (1). Aufgrund der gravierenden Versäumnisse bei der Sanierung und beim Grundwassermonitoring sind nun weitreichende Konsequenzen nötig.  

(1)   Sämtlichen Arbeitern, die im WASAG-Gelände tätig waren, muss ein Gesundheitscheck ermöglicht werden. Ein niedriger Kaliumspiegel ist ein Indiz dafür, dass sie Kontaminationen ausgesetzt waren.

(2)   Sämtliches Bodenmaterial, das das WASAG-Gelände verlassen hat, ist zurückzuholen und zu beproben. Das gilt nicht allein für die großen Erdmassen aus der kontaminierten Baugrube, die in der letzten Woche im Minutentakt abgefahren wurden, obwohl es bereits Hinweise auf die Kontaminationen gegeben hatte. Laut Planfeststellungsbeschluss sind diese Erdmassen stichprobenartig zu untersuchen. Aber obwohl seit mehr als einem Jahr nach den Protokollen gefragt wird, wurden sie bisher nicht übersandt bzw. zur Einsicht freigegeben. 

(3)   Sämtliches Bodenmaterial, das in andere Bereiche des WASAG-Geländes gebracht wurde, ist zu beproben. Denn auch hierfür dürfen Grenzwerte nicht überschritten werden.

(4)   Ein neues Bodenmanagementsystem ist zu installieren, das den Erfordernissen des Altlastengeländes Rechnung trägt. Denn nach dem jetzigen Stand ist es erlaubt, optisch unauffälliges Bodenmaterial im Baufeld wieder einzubauen, obwohl sprengstofftypische Verbindungen auch ohne optische Auffälligkeiten im Boden vorhanden sein können. Das Regierungspräsidium streitet ab, dass es einen Zusammenhang gibt mit dem von Bürger:innen veranlassten Nachweis von TNT in zwei Oberflächengewässern außerhalb des Altlastengeländes im letzten Sommer. In einer dieser Messungen wurde der Geringsfügigkeitsschwellenwert um das 3,2 fache überschritten. Es gibt dafür keine andere logische Erklärung als die Verlagerung von kontaminiertem Boden aus dem WASAG-Gelände.

(5)   Sämtliches geschreddertes Holzmaterial, das 2020 und 2021 auf der Trasse verteilt wurde, ist zu entsorgen. Schließlich wurde im April 2019 festgestellt, dass selbst das Holzmaterial aus als unschädlich eingestuften Gebieten kontaminiert ist.  Allerdings wurde Holzmaterial nur bis Ende 2019 entsorgt. 

(6)   Es ist eine erneute gründlichere Gefährdungsabschätzung nötig oder aber sämtliches Material, dass das WASAG-Gelände verlässt, ist vor dem Abtransport (nicht nur stichprobenartig) zu beproben. Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass kein belastetes Material an Stellen eingebaut wird, an denen Grundwasser nicht auf sprengstofftypische Verbindungen beprobt wird. 

(7)   Ein hydrogeologisches Modell ist zu erstellen, das die Fließrichtung des Wassers darlegt. Nur auf dieser Basis kann beurteilt werden, ob das im Sanierungsplan geforderte Grundwassermonitoring hinreichend ist. 

(8)   Es ist eine Sickerwasserprognose zu erstellen, wie sie das Handbuch Altlasten fordert. Das wurde trotz der Vorschriften bisher nicht für notwendig erachtet. 

(9)   Für die im Sanierungsplan geforderten Messstellen, die nicht mehr beprobungsfähig sind, sind Ersatzmessstellen einzurichten. 

Bereits 2006 wurde von der Baustoff- und Bodenprüfstelle Wetzlar festgestellt, dass das Erdmaterial aus dem WASAG-Gelände eine Kontrollanalytik erfordert. Und 2008 wurde im Erläuterungsbericht Bodenuntersuchungen festgestellt, dass aufgrund der Grundwasserfließrichtung langfristig eine Beeinträchtigung des Wassergewinnungsgebietes der Wasserwerke Stadtallendorf nicht ausgeschlossen werden kann. Es ist völlig unverständlich, wie der Bau der Autobahn trotzdem genehmigt werden konnte, ohne eine umfassende Gefährdungsabschätzung durchzuführen  und ohne dass ein hydrogeologisches Gutachten und eine Sickerwasserprognose erstellt wurden. Und es ist nicht nachvollziehbar, wieso bisher keiner darauf gedrängt hat, das Grundwassermonitoring so umzusetzen, wie es im Sanierungsplan gefordert ist. 

Es ist höchste Zeit, dass das Regierungspräsidium die Gefährdung der Anwohner so ernst nimmt, wie sie es in einer Stellungnahme mitgeteilt hat. Die dargestellten Maßnahmen sind unverzüglich umzusetzen, um den Trinkwasserschutz sicherzustellen. Auch sind die Maßnahmen notwendig, um den Schutz der Arbeiter zu gewährleisten, die weiterhin Erde aus dem WASAG-Gebiet abtransportieren. 

Der Fund von Hexyl zeigt, dass die planfestgestellten Vorgaben nicht ausreichen, um der beschriebenen Gefahr der Verschlechterung des Wassers hinreichend zu begegnen. Das ist eine Missachtung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie, die einen umgehend Entzug der wasserrechtlichen Erlaubnisse erfordert, bis ein neues Gutachten die Gefährdung durch die Altlasten mitberücksichtigt. 

Der Planfeststellungsbeschluss gibt vor: "Wird im WASAG-Gelände, in der Joßkleinaue oder der Kleinaue eine schädliche Bodenverunreinigung bestätigt, sind nach §13 BBodSchG  eingrenzende Detail/Sanierungsuntersuchungen (16 Sondierungen auf 100 qm Baufläche; Bildung von Mischproben jeweils eines einheitlichen Horizonts) einzuleiten mit dem Ziel, kleinräumige hot spots von der Gesamtbaufläche abzugrenzen und einen Sanierungsplan für den Bereich, der von der Autobahntrasse überbaut wird, in ausreichendem Maß auch für die angrenzenden Außenbereiche zu erstellen. Das ist jetzt angezeigt! Denn jüngst haben Schnelltests aufgezeigt, dass weiterhin massive Kontaminationen vor Ort sind.