Autobahnbau durch ein Trinkwasserschutzgebiet

Ein Gutachten, das von der Landesregierung in Auftrag gegeben wird, rät Ende der 1990er Jahre wegen schwerwiegender Schädigungen von Mensch und Umwelt von der Autobahn ab  ... Die Autobahn führt nämlich

- kilometerlang durch Wasserschutzzonen. Laut Ristwag (Richtlinien zum Straßenbau in Wasserschutzgebieten) ist die Wasserschutzzone II "von Straßen freizuhalten. Ist aus zwingenden Gründen und nach Abwägung aller Gesichtspunkte des Wohles der Allgemeinheit eine Straßenführung durch die Zone II nicht zu vermeiden, muss ein ausreichender Schutz des Grundwassers auf jeden Fall gewährleistet sein."


-durch eine der größten und gefährlichsten Rüstungsaltlasten Europas, das der WASAG in Stadtallendorf und

- durch ein europäisches Naturschutzgebiet. Hier bedarf es "zwingender Gründe des öffentlichen Interesses", um eine positive Stellungnahme der EU-Kommission für eine Baugenehmigung zu erhalten.

 

Als Antwort auf einen Berichtsantrag heißt es im Januar 2000 seitens des hessischen Verkehrsministers Dieter Posch: "Der Landesregierung ist bewusst, dass auch die aus der Gesamtabwägung als günstigste Trassenführung hervorgegangene West-Herrenwald-Variante nicht zu vernachlässigende Eingriffe in Natur und Landschaft mit sich bringt." Dennoch "sieht die Landesregierung keine Veranlassung, auf den Bau der A 49 zu verzichten" (Ausschussvorlage WVA/15/12 Drucksache 15/893 vom 20.1.2000)

 

Strategien

 

Viele verschiedene Beteiligte und unterschiedliche Maßnahmen führen dazu, dass das Bauprojekt tatsächlich trotz der "nicht zu vernachlässigenden Eingriffe" in Angriff genommen wird. (Eine kleine Auswahl!)

  1. Es gibt keine zwingenden Gründe des öffentlichen Interesses. Vielmehr setzen sich ortsansässige Firmen für den Ausbau ein. Also wird bei der Antragsstellung an die EU getrickst. Und weil der erste Antrag als Testballon formuliert wird, kann in einem zweiten noch mehr getrickst werden. Und weil das immer noch nicht ausreicht, dient ein angeblicher Übersetzungsfehler, der aus dem Erhalt von 13.600 Arbeitsplätzen die Schaffung von 13.600 Arbeitsplätzen macht, der Rechtfertigung, dem Naturschutzgebiet gravierenden Schaden zuzuführen. Hier geht es zu näheren Informationen. 
  2. Zwar wird der in RIstWag geforderte Schutz des Grundwassers durch die Landesregierung in 2011 noch angekündigt (vgl. Antwort auf Frage 5), es gibt aber keinen hydrogeologischen Schnitt dieses so wichtigen Trinkwassergewinnungs-gebietes für 500.000 Menschen und auch keine Sickerwasserprognose.  
  3. Damit ist zwar nicht sichergestellt, dass durch das Grundwassermonitoring überhaupt festgestellt werden kann, wenn  durch die Sanierung in Bewegung gesetzte (=mobilisierte) Schadstoffe das Grundwasser verunreinigen, aber eine solche Aufdeckung scheint ja eh nicht gewünscht, daher wird das im Sanierungsplan dargelegte Monitoring im Abstrombereich des sanierten Geländes erst gar nicht plangemäß umgesetzt.
  4. Es wäre zu zeitaufwändig zu recherchieren, ob im WASAG-Gelände diesselben Sprengstoffe hergestellt wurden wie im benachbarten DAG-Gelände, also wird einfach der Parameter-Katalog genutzt, der schon für das DAG-Gelände erstellt wurde. Hinweise, dass damit wichtige Sprengstoffe fehlen, werden ignoriert. 
  5. In einer Stellungnahme der Baustoff- und Bodenschutzprüfstelle Wetzlar vom 9.10.2006 zur Baumaßnahme der A49  heißt es zwar: „Der Erdabtrag aus dem WASAG-Gelände und andere augenscheinlich auffällige Bodenmaterialien … erfordern eine entsprechende Kontrollanalytik. Hierzu ist der Erdabtrag im TNT-Zwischenlager auf Halden bereitzustellen und abfalltechnisch zu untersuchen….Nach Vorliegen der abfalltechnischen Deklarationsanalytik kann dann über einen geeigneten Entsorgungspfad entschieden werden…“ Aber anscheinend ist die Forderung, die ca. 500.000 Kubikmeter Boden zu beproben, die im Rahmen der Tieferlegung der Trasse im WASAG-Gelände ausgegraben werden, zu teuer. Man sagt zwar in einem Berichtsantrag 2011 zu, diese Beprobung würde umgesetzt. (Antwort auf Frage 4), in den Planfeststellungs-beschluss von 2012 findet sie jedoch keine Aufnahme.
  6. Da die Beprobung der Erdmassen erfolgreich aus dem Planfeststellungsbeschluss herausgehalten wurde, ist eine Sanierung des Trassengeländes im WASAG-Bereich notwendig. Da die Trasse das WASAG-Gelände allerdings über eine Länge von 2,5 km  schneidet, wären auch mit einer umfassenden Sanierung sehr hohe Kosten verbunden. Also wird - unter Ignoranz von Plänen, die dem Regierungspräsidium vorliegen müssten - auf Grundlage von lediglich 10 Proben und zweier Bücher, die nachweislich nicht vollständig sind, ca. die Hälfte des Gebietes aus der Sanierung entlassen. Damit ist zwar sehr wahrscheinlich, dass damit kontaminiertes Material an andere Orte transportiert wird, aber das muss sich ja erst einmal beweisen lassen.
  7. Zwar ist im Leitfaden Rüstungsaltlasten dokumentiert, dass sich in Wurzeln und Hölzern TNT und Hexogen sammelt, und zwar wurde bei der Sanierung im April 2019 festgestellt wurde, dass Wurzelstubben belastet sind und daher in 2019 statt 15 Tonnen über 600 Tonnen an Material aus dem Sanierungsbereich verbrannt, dennoch darf das Wurzelholz aus dem nicht sanierten Gebiet in 2021 geschreddert und über die Trasse verteilt werden. Nachfragen nach gefundenen Wurzelstubben, die positiv auf einen Janowsky-Schnelltest angeschlagen haben, werden ignoriert.
  8. Und zwar gibt es einen externen Gutachter, der sicher stellen soll, dass auffälliges Material aus dem WASAG-Gelände separiert wird (obwohl es natürlich auch kontaminiertes Material gibt, das nicht auffällig ist!), und es gibt auch den ein oder anderen separierten Haufen, aber eine Meldung von Kontaminationen an das Regierungspräsidium, wie es das Bodenschutzgesetz verlangt, wird dann doch nicht durchgeführt - denn diese würde ja einen Baustopp mit sich bringen. Zu dumm, dass Anwohner:innen Hexyl finden und das nicht nur melden (das lässt sich ja noch ignorieren), sondern eine Anzeige nach dem Gesetz für Sicherheit und Ordnung stellen. Das lässt sich leider nicht mehr ignorieren. Oder nur in Teilen - denn Baustopp im Herrenwald ist anscheinend nicht gleich Baustopp!

Aber nicht nur bei den Altlasten wird gepfuscht:

  1. Die großen Mengen an Waldfläche, die dem Ausbau zum Opfer fallen, bedürfen umfangreicher Ersatzmaßnahmen. Eine Unterschlagung von fünf Hektar gerodeter Waldfläche im Textteil des Planfeststellungsbeschlusses ermöglicht, weniger Ersatzmaßnahmen umsetzen zu müssen. Hier geht es zu näheren Informationen.
  2. Dass die Ersatzmaßnahmen dabei unsinnig sind oder auch gar nicht umgesetzt wurden wie vorgeschrieben, interessiert die Naturschutzbehörde nicht - schließlich würde das den politisch so dringend gewünschten Ausbau verzögern.
  3. Ein Projekt, das in einer öffentlich-privaten Partnerschaft gebaut wird, darf nicht teurer sein als ein öffentlich gebautes. Das ist natürlich ein Widerspruch in sich. Im Falle der A49 trickst man bei der Berechnung und schwärzt die Verträge, damit das Projekt genehmigt wird.
  4. Damit die Autobahn schneller fertig wird, verzichtet man im Wasserschutzgebiet auf die Umsetzung der Vorgabe, Regenrückhaltebecken vor dem Bau der Trasse fertig zu stellen. Aus der behaupteten Alternative der Reinigung in mobilen Absetzbecken (die wenigen vorhandenen sind in der Regel nicht angeschlossen) werden ganz schnell angebliche "Erdwallbecken"- die aus einem Loch in der Erde und einem Kanalrohr bestehen. Aber auch die sind ja lästig, also behauptet die DEGES einfach, Saugwagen würden zeitnah Pfützen aufnehmen, die sich durch Niederschlag gebildet haben. Ein solcher Saugwagen wurde in mehr als sechs Monaten noch nicht auf der Trasse gesehen.

 

Teamplay aller Beteiligten

 

Wie sich Planfeststellungsbehörde, DEGES, Regierungspräsidium, Polizei, ortsansässige Firmen und Bauausführende dabei unterstützen, dass der Bau möglichst schnell und störungsfrei umgesetzt wird, dokumentiert der Danni-Unrechtskalender Anfang 2022.

 

Nicht berücksichtigt sind darin die etliche danach aufgetretenen Misstände:

  • die mutmaßlich nicht planfestgestellten Arbeiten in einem nicht sanierten Bereich des WASAG-Geländes (die Planfeststellungsbehörde ist angefragt, lässt sich aber wie immer Zeit mit der Beantwortung) oder auch
  • die umfangreichen Sprengungen, die ohne hydrogeologisches Gutachten in der Wasserschutzzone heimlich durchgeführt werden sollen (laut Planfeststellungsbehörde sind Sprengungsarbeiten nicht notwendig, die Anwesenheit eines Sprengungstechniker vor Ort sagt etwas anderes - naheliegenderweise fehlen noch nähere Beweise - und noch vieles mehr.