Die Planfeststellungsbehörde ist verantwortlich, die Planung für Autobahnen durchzuführen. Sie ist dem hessischen Verkehrsministerium untergeordnet. Anders als die meisten anderen Bundesländer hat Hessen diese Aufgabe nicht an das Fernstraßenbundesamt abgegeben. Damit ist die hessische Planfeststellungsbehörde nicht nur verantwortlich für einen Planfeststellungsbeschluss der die Belange des Natur- und Wasserschutzes mit Füßen tritt, sondern außerdem verantwortlich für die Überprüfung, ob die Bestimmungen auch wirklich eingehalten werden. Als Miteigentümerin der Vorhabenträgerin hat sie daran offensichtlich wenig Interesse.
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28.2.22
Lügen, Tricks und Müßiggang der Planfeststellungsbehörde beim Wasserschutz
In der vierten Woche des Danni-Unrechtskalenders, in dem auf der Website www.danni-lebt.de seit dem 1. Februar täglich Rechtsverstöße, Lügen, Merkwürdigkeiten und Schlampereien beim Ausbau der A49 thematisiert werden, steht die Planfeststellungsbehörde im Fokus. Diese dem hessischen Verkehrsministerium untergeordnete Behörde, die für die Planung verantwortlich ist, hat eindeutig kein Interesse am Wasserschutz beim Ausbau der A49. Das zeigt sich an verschiedenen Stellen.
1) Wahl der Streckenführung: Die Planfeststellungsbehörde entschied sich für die Ausbau-Variante, die der Zweckverband Mittelhessische Wasserwerke als die problematischste ansieht. (1) Damit konterkariert sie die Aussage im Planfeststellungsbeschluss: „Der Zweckverband Mittelhessische Wasserwerke (ZMW), das Regierungspräsidium Gießen -Abteilung Umwelt- und das Hessische Landesamt für Umwelt und Geologie (HLUG) sind bei Ausführungsplanung und Ausschreibung der Baumaßnahmen in geeigneter Form zu beteiligen.“ (2)
2) Einleitestelle der Fernableitung innerhalb der Wasserschutzzone II: Im Planfeststellungsbeschluss (S. 462) wird behauptet, die Einleitestelle der Fernableitung befände sich am Rande der Wasserschutzzone II. Allerdings beträgt die Entfernung zum Rand Luftlinie ca. 500 Meter (vgl. den roten Kreis im Bild mitten im blau umrandeten Gebiet). Das abgeleitete Wasser soll sogar über zwei Kilometer weit dem Wasserverlauf folgen, bis es die besonders schützenswerte Zone II verlässt. Diese Angabe kann kein Versehen sein, denn der Zweckverband mittelhessische Wasserwerke hatte genau an dieser Einleitestelle Kritik geübt. Auch in der Risikostudie zum Planfeststellungsbeschluss steht explizit, die Einleitestelle befände sich innerhalb der Wasserschutzzone II. (3)
3) Ausnahmen von Verboten im Wasserschutzgebiet: Im Planfeststellungsbeschluss werden ohne Not Ausnahmen von Verboten im Wasserschutzgebiet erteilt (S. 21, S. 475f, S.481 f), u. a. zur Betreibung einer Kläranlage in einer Parkplatz –WC-Anlage.
4) Akzeptanz eines mangelhaften Gutachten zur europäischen Wasserrahmenrichtlinie: Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte, dass der Planfeststellungsbeschluss bezüglich der wasserrechtlichen Prüfung fehlerhaft ist (4). Dies führte skurrilerweise nicht zu einem Aussetzen des Baus, sondern lediglich zu einem in vielerlei Hinsicht unzureichenden Gutachten. (5) Ein Gegengutachten, das etliche Mängel auflistete, wurde ignoriert mit der Behauptung von „fehlende(r) juristische(r) Relevanz“ .(6) Auch von der Möglichkeit „erforderliche Schutzmaßnahmen nachträglich an(zu)ordnen und die rechtlich selbstständigen wasserrechtlichen Erlaubnisse anz(zu)passen oder sogar (zu) widerrufen“ machte die Planfeststellungsbehörde keinen Gebrauch, obwohl gravierende Mängel - u. a. die uralten Bemessungsgrundlagen - in einer Überarbeitung des Gutachtens nicht behoben wurden (5).
5) Keine Ahndung von Verstößen: Über lange Zeit wurden viele verschiedene unzulässige Wasseransammlungen dokumentiert (7), obwohl die Regenrückhaltebecken laut Planfeststellung „vor dem Bau der Trasse zu errichten, damit das Oberflächenwasser während der Bauphase gefasst werden und gereinigt werden kann.“ (8) Statt auf diesen planfestgestellten Becken zu bestehen, hat die Planfeststellungbehörde der DEGES nach eigenen Angaben gestattet, mobile Absetzbecken zu verwenden, da diese eine höhere Reinigungsleistung hätten. Solche sind aber nur vereinzelt vorhanden. Stattdessen werden nun Erdaufhäufungen als Erdwallbecken definiert und für zulässig erklärt. Die behauptete Reinigung des aufgefangenen Wassers ist hier nichts zu erkennen (vgl. Foto rechts). Das verstößt gegen die Vorgaben der Richtlinien zum Straßenbau in Wasserschutzgebieten. Besonders gravierend ist die Zuwiderhandlung zu dieser Bestimmung im Altlastengelände des ehemaligen Sprengstoffwerkes der WASAG in Stadtallendorf: dort stand über Wochen Wasser in einer Baugrube (vgl. Foto rechts), obwohl gerade für diesen Bereich im Sanierungsplan eine besondere Warnung ausgesprochen wurde. Dort besteht die Möglichkeit, dass sich sprengstofftypische Verbindungen aus dem Boden lösen und in den Grundwasserkörper gelangen. Aber auch diesen Verstoß gegen den Planfeststellungsbeschluss meldete die Planfeststellungsbehörde nicht an das Fernstraßenbundesamt, das allein auf Basis von Anfragen der Planfeststellungsbehörde die Umsetzung der Bestimmungen durchsetzen kann. (9)
Damit zeigt sich von den Planungen bis zur Ausführung: die Planfeststellungsbehörde nimmt den Wasserschutz nicht ernst und riskiert damit lebensnotwendige Grundlagen von Mensch und Umwelt. Daran hat auch ein Beschluss der Landesmitgliederversammlung der Grünen bisher nichts geändert, in dem die verantwortlichen hessischen Ministerien ersucht werden, die Einhaltung der wasserrechtlichen Genehmigungen zu vertiefend zu prüfen. (10) Augenscheinlich ist der schnelle Ausbau der A49 wichtiger als der Schutz von Trinkwasser für 500.000 Menschen.
Es ist dringend notwendig, dass das Land Hessen den Schaden behebt, der durch die unzureichenden Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts entstanden ist und seine Fürsorgepflicht für die Bürger:innen ernst nimmt, den Wasserschutz sicherstellt und. (11) Und es wird höchste Zeit, dass sich die Planfeststellungsbehörde ihrer Verantwortung stellt (12) und die wasserrechtlichen Genehmigungen widerruft. (13). Es darf nicht sein, dass beim Bau der A 49 für eine möglichst schnelle Fertigstellung und zur Kostenersparnis der Wasserschutz ignoriert wird mit unkalkulierbarem Risiko für alle, die von diesem Wasser abhängig sind.
1. https://www.op-marburg.de/Landkreis/Ostkreis/Stadtallendorf-Geld-fliesst-vor-allem-in-die-Brunnen vgl.
2. Planfeststellungsbeschluss https://fragdenstaat.de/anfrage/planfeststellungsbeschluss-a49/550553/anhang/PB_A49_VKE40.tar.gz S. 52f) Und man ahnt, wer bei den „streitigen“ Verhandlungen unterlegen ist: https://www.giessener-allgemeine.de/kreis-giessen/kreis-giessen-grossprojekt-bringt-hohes-risiko-wasserversorgung-mittelhessen-13135647.html Die Trasse entsprach dabei aufgrund der erheblichen Beeinträchtigung des Naturschutzgebiets Herrenwald auch nicht den Bitten des NABU (Vgl. PFB S. 273)
3. Risikostudie zum Planfeststellungsbeschluss (2006), S. 17. Im Gutachten (S. 71) . https://www.deges.de/wp-content/uploads/2019/08/A49_November-2020_WRRL_Fachbeitrag_VKE40_.pdf wird zugegeben, dass in Hochwasser-situationen potenziell belastetes aus der Klein in den Grundwasserleiter versickert.
4. https://www.bverwg.de/de/pm/2020/37
5. https://www.deges.de/projekte/projekt/a-49-as-fritzlar-ohmtal-dreieck-a-5-a-49/
6. https://gesundheit.hessen.de/presse/pressemitteilung/gueltigkeit-des-planfeststellungsbeschlusses-steht-nicht-frage-0
7.https://www.danni-lebt.de/un-recht/rp/rrbs/ 8. In den Ausführungen zum Schutzgut Wasser (S. 118) ist erläutert, dass „Schadstoffeinträge während der Baudurchführung zu erwarten (sind). Durch die vorgesehene Fassung der Straßenoberflächenabflüsse entlang der gesamten Strecke, die Vorreinigung in Rückhaltebecken und die gedrosselte Abgabe in den jeweiligen Vorflutern werden Beeinträchtigungen des Grundwasserkörpers jedoch vermieden."
9. https://www.danni-lebt.de/un-recht/verantwortung/
11. https://www.energiezukunft.eu/umweltschutz/hessens-gruene-koennten-die-rodung-stoppen/
12. https://www.danni-lebt.de/un-recht/verantwortung/
13. https://www.bverwg.de/de/230620U9A22.19.0 (Punkt 56)
22.2.22 Falsche Angaben zur Rodungsflächen im Planfeststellungsbeschluss
Die Planfeststellungsbehörde unterschlug eine Rodungsfläche von mehr als 4 Hektar. Für diese im Planfeststellungsbeschluss nicht aufgeführten 4 Hektar wurden dementsprechend auch keine Ausgleichsflächen ausgewiesen. Dabei entsprechen auch so schon nicht der gerodeten Menge. "Trotz der verbleibenden Differenz von 0,61 ha sieht die Planfeststellungsbehörde die Belange des Waldes durch die angeordneten Neuaufforstungen (A III 2.2) ausreichend gewahrt." (Planfeststellungsbeschluss S. 415) Trotz der nunmehr vorhandenen Differenz von mindestens 5 ha sieht die Behörde keinen Anlass zu handeln.
23.2.22 Falsche Angabe im Planfeststellungsbeschluss zur Einleitestelle der Fernableitung
Im Planfeststellungsbeschluss (S. 462) wird behauptet, die Einleitestelle der Fernableitung befände sich am Rande der Wasserschutzzone II. Allerdings beträgt die Entfernung zum Rand ca. 500 Meter (vgl. gruschu und Bild). Das abgeleitete Wasser würde sogar über zwei Kilometer weit dem Wasserverlauf folgen, bis es die besonders schützenswerte Zone II verlässt. Diese Angabe kann kein Versehen sein, denn in der Risikostudie zum Planfeststellungsbeschluss steht es anders (S. 2 im Anhang) und der Zweckverband mittelhessische Wasserwerke hatte genau an dieser Stelle Kritik geübt.
24.2.22 Genehmigung von sinnlosen bis schädlichen Ausgleichsmaßnahmen
Die Maßnahmen, die festgelegt sind, um den Schaden durch die Zerstörung des Waldes und des Naturschutzgebietes (Flora-Fauna-Habitat) auszugleichen, sind vielfach ungeeignet, das behauptete Ziel zu erreichen. Daneben schädigen die Maßnahmen an etlichen Stellen die Natur zusätzlich. Z. B. werden für die Wiederaufforstung von Waldflächen kostbare extensive biologisch genutzte Weideflächen zerstört. (Foto: 12 aufgeforstete Eichen, von denen aus Platzmangel nur ein Bruchteil überlebt.)
25.2.22 Ignoranz von Empfehlungen aus Risikostudien
Obwohl durch die Autobahn die wichtigste Wasserschutzzone Mittelhessens betroffen ist, sind im Planfeststellungsbeschluss an verschiedenen Stellen Ausnahmen von sinn-vollen Verboten zum Wasserschutz genehmigt, u. a. für eine Kläranlage (vgl. S. 21, 475 f, 484 f). Daneben ignoriert der Planfeststellungsbeschluss viele Risiken (u. a. ahu 2006, S. 43-63 und Risikostudie von 2019) und setzt Empfehlungen nur eingeschränkt um. Auch missachtet er dringende Bitten des Zweckverband mittelhessische Wasserwerke, der 500.000 Menschen mit Trinkwasser versorgt und sich deutlich gegen die Trassenwahl ausgesprochen hat. Trotzdem behauptet die Behörde, der Verband würde am Ausbau beteiligt. (Foto: Flyer von WsA)
26.2.22 Widerrechtliche Genehmigung einer Planänderung mit wasserrechtlichen Konsequenzen ohne Planänderungsverfahren
"Die Planfeststellung hat Konzentrationswirkung, d.h. sie ersetzt alle behördlichen Genehmigungen, die für das Vorhaben ansonsten erforderlich gewesen wären." Damit hätte auch das Betonwerk in Stadtallendorf ein Planänderungsverfahren erfordert. Aber darauf wurde verzichtet. Noch gravierender ist die Genehmigung von archäologischen Ausgrabungen ohne Planänderungsverfahren. Im Anschluss wurden die dafür erforderlichen wasserrechtlichen Genehmigungen von Kreisbehörden erteilt. Dass dies nicht rechtens war, zeigt sich daran, dass die Vorhabenträgerin nach einer Klage darum bat, diese Genehmigungen zurückzuziehen. Die Arbeiten waren da selbstverständlich schon durchgeführt.
27.2.22 Genehmigung von ungefilterten Ableitungen innerhalb der Wasserschutzzone II - entgegen den Vorgaben zum Straßenbau
Laut Planfeststellungsbeschluss S. 14 sind die Regenrückhaltebecken, in denen das Wasser gereinigt wird, bevor es in die umliegenden Flüsschen abgeleitet wird, vor dem Bau der Trasse zu errichten, damit auch während der Bauzeit schon eine Reinigung des Wassers erfolgen kann. Statt darauf zu bestehen, weil laut Planfeststellungsbeschluss "Schadstoffeinträge während der Baudurchführung ZU ERWARTEN sind." (S. 118) erlaubt die Planfeststellungsbehörde die Sammlung des Wassers ohne Abdichtung und ohne Reinigung in sogenannten "Erdwallbecken".
28.2.22 Keine Ahnung der Verstöße, stattdessen Abweisung von Verantwortung
Die Planfeststellungsbehörde hat noch keinen der zahlreichen Verstöße gegen den Beschluss geahndet, z. B. nicht das unkontrollierte Versickern in vielen Teilen der Bau-stelle, die nächtliche Beleuchtung in den Sommermonaten oder die mangelhafte Sa-nierung von Altkanälen. Meldungen von Verstößen werden mit Zitaten der Vorhaben-trägerin beantwortet, die die Vorwürfe trotz vorhandener Beweise regelmäßig abstreitet. Eine Kontrolle des Wahrheitsgehaltes findet offenkundig nicht statt. Außerdem behauptet die Behörde, sie sei nicht für die Einhaltung des Beschlusses verantwortlich und verweist abwechselnd nach unten ins Regierungspräsidium nach Gießen, nach oben zum Fernstraßenbundesamt in Leipzig. Das erinnert sehr an den Film: "Don't look up!"
Alle hier dokumentierten Rechtsverstöße, Lügen, Merkwürdigkeiten, Ungereimtheiten und Schlampereien wurden nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert. Viele Fragen wurden seitens der Verantwortlichen dabei bisher unvollständig oder gar nicht beantwortet. Es zeigt sich, dass dieser fehlerbehaftete Ausbau umgehend gestoppt werden muss. Schon das Wasserrecht bietet dazu hinreichend Möglichkeiten.
Hinweise auf weitere Rechtsverstöße und mögliche Recherchefehler unsererseits nehmen wir sehr gerne über das Kontaktformular entgegen.